Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Schuldenkrise beginnt sich Griechenland zu erholen. Im vergangenen August verließ das Land den Euro-Rettungsschirm. Der einstige Defizitsünder weist Haushaltsüberschüsse aus. Die Wirtschaft wächst wieder, wenn auch bisher eher kraftlos. Mit der Parlamentswahl vom Sonntag hat Griechenland gezeigt, dass es sich nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch wieder stabilisiert.

Die Abstimmung war ein Zeugnis politischer Reife. Die Griechen haben klug gewählt. Sie gaben der konservativ-liberalen Nea Dimokratia eine absolute, aber keine überwältigende Mehrheit. Der bereits vereidigte Premier Kyriakos Mitsotakis kann sofort an die Arbeit gehen, ohne langwierige Koalitionsverhandlungen führen zu müssen. Den zuletzt als Chef einer Minderheitsregierung kaum noch handlungsfähigen Alexis Tsipras schickten die Wähler auf die Oppositionsbank. Aber sie bescherten seinem Linksbündnis Syriza nicht jene vernichtende Niederlage, mit der manche Wahlforscher gerechnet hatten. Tsipras verlor gegenüber der Wahl von 2015 nur vier Prozentpunkte. Er kann erhobenen Hauptes in die Opposition gehen, Syriza bleibt eine starke politische Kraft. Aus dem Parlament geworfen haben die Wähler hingegen die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte, die in den Krisenjahren mit rechtspopulistischen, nationalistischen und ausländerfeindlichen Parolen Protestwähler gewinnen konnte. Dass die Neonazis jetzt an der Dreiprozenthürde scheiterten, ist ebenfalls ein Indiz für die Rückkehr des Landes zu politischer Stabilität.

Zwei Blöcke

Mehr als 71 Prozent der Stimmen entfielen auf die beiden großen Parteien. Nun kommt es darauf an, was der neue Premier Mitsotakis und Oppositionschef Tsipras aus dem Wahlergebnis machen. Mitsotakis hat ein klares Mandat für die Umsetzung seines Programms. Er will der Wirtschaft mit einer schlanken öffentlichen Verwaltung und Steuersenkungen Impulse geben. Seine Devise: Weniger Staat, weniger Steuer, mehr Investitionen und neue, hochwertige Arbeitsplätze.

Mitsotakis macht keinen Hehl daraus, dass er die strikten fiskalischen Vorgaben, die sein Vorgänger mit den Gläubigern vereinbarte, für kontraproduktiv hält. Die hohen Haushaltsüberschüsse, zu denen sich das Land in den nächsten Jahren verpflichtet hat, bremsen das Wachstum und lassen keinen Spielraum für dringend notwendige öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Mitsotakis will die Gläubiger nun davon überzeugen, dass für Griechenland in dieser Phase Wachstumsimpulse wichtiger sind als hohe Haushaltsüberschüsse. Denn je stärker die Wirtschaftsleistung steigt, desto schneller sinkt die in Relation zum Bruttoinlandsprodukt berechnete Schuldenquote. Mitsotakis wird allerdings bei den Gläubigern noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Insbesondere in Berlin gibt es große Bedenken gegen eine Lockerung der Sparvorgaben. Bevor es dazu kommt, wird der neue griechische Premier unter beweisen müssen, dass er seine Wachstumsziele umsetzen kann. Und die sind ehrgeizig: Mitsotakis will das Wachstumstempo von derzeit weniger als zwei Prozent im Jahr auf vier Prozent mehr als verdoppeln.

Ob ihm das gelingt, wird nicht zuletzt von der Opposition abhängen. Wird Tsipras in die Rolle des Rebellen zurückfallen, seine Anhänger zu Streiks aufrufen, wie er es als Oppositionsführer in den ersten Krisenjahren tat? Seiner Partei und seinem Land würde er damit schaden. Tsipras hat die Wahl verloren, weil ihm die Wähler der Mitte davonliefen. Er hat jetzt die Chance, Syriza zu einer breit aufgestellten sozialdemokratischen Volkspartei zu machen. Das wäre nicht nur ein Beitrag zur politischen Stabilität des Landes. Nur so kann sich Tsipras auch die Option auf eine spätere Rückkehr an die Regierung sichern.