US-Präsident Donald Trumps Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un an der innerkoreanischen Grenzlinie am Sonntag wird zweifelsohne in die Geschichtsbücher eingehen: Zum ersten Mal betrat ein amtierender amerikanischer Präsident nordkoreanischen Boden in Panmunjom inmitten der Entmilitarisierten Zone, eine 250 Kilometer lange und vier Kilometer breite Pufferzone, die die koreanische Halbinsel in Nord- und Südkorea aufteilt.

Trump und Kim einigten sich zur Wiederaufnahme von Gesprächen, die seit dem im Februar gescheiterten Hanoi-Gipfel eingefroren waren, sowie zur Bildung von Arbeitsgruppen zur Umsetzung der Singapur-Deklaration vom Juni 2018, in der sich beide Seiten unter anderem für eine „Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ aussprachen.

Der einzige Schönheitsfehler: All dies wurde bereits vor einem Jahr in Singapur vereinbart, doch bis jetzt sind keine nennenswerten diplomatischen Fortschritte vorzuweisen.

Bis dato kein diplomatischer Durchbruch

Trump lud Kim auch ins Weiße Haus ein – „wann immer er will“ – und nannte das Treffen am 30. Juni einen „legendären Moment“. Legendär wird die Zusammenkunft, abseits der geografischen Signifikanz, jedoch aus einem anderen Grund sein, der Trump nicht schmecken wird: die schleichende De-facto-Akzeptanz Nordkoreas als Nuklearmacht durch die Vereinigten Staaten. Diese indirekte amerikanische Zubilligung des nordkoreanischen nuklearen Waffenarsenals kann folgenschwere Konsequenzen für die jetzige Krise am Persischen Golf haben.

Trumps Gipfelpolitik mit Kim hat bis dato keinen diplomatischen Durchbruch erzielt. Die Amerikaner und die internationale Staatengemeinschaft widersetzen sich, die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Nordkorea aufzuheben, solange Kim nicht bereit ist, seine Atomwaffen aufzugeben. Kim hat sich zwar zur „kompletten Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ verpflichtet, aber nicht zur „umfassenden, überprüfbaren und unwiderruflichen“ nuklearen Abrüstung, wie es die US-Politik fordert. Für Kim ist klar: Solange die Amerikaner ihren nuklearen Schutz über Südkorea und Japan nicht aufheben und selbst ihre Nuklearwaffen verschrotten, sind alle Referenzen zur nuklearen Abrüstung reine Grundsatzbekenntnisse ohne praktische Konsequenzen.

Im Mai testete Nordkorea auch das erste Mal seit einem 522-tägigen selbst auferlegten Moratorium ballistische Kurzstreckenraketen, obwohl dies eine Resolution des UNO- Sicherheitsrates dezidiert verbietet.

Indirekte Erlaubnis für Kim, aufzurüsten

Das Weiße Haus spielte die Bedeutung der Tests aber herunter. So erklärte Trump gestern, dass Kurzstreckenraketentests „keine Raketentests“ sind, weil Waffen mit dieser geringen Reichweite nicht die USA treffen könnten.

Mit anderen Worten: Kim hat von Trump die indirekte Erlaubnis, sein Waffenarsenal aufzubauen – Kurz- und Mittelstreckenraketen zu testen –, während Verhandlungen zu dessen Abrüstung stattfinden.

Das Treffen gestern legitimiert also Nordkoreas Aufrüstung und schwächt gleichzeitig das amerikanische Bündnissystem in Ostasien. Kurz- und Mittelstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen können allesamt Ziele in Japan und Südkorea erreichen – ein fatales Signal an die US-Verbündeten, das Zweifel an amerikanischen Sicherheitsgarantien aufkommen lässt.

Irans Lehre: Nur als Nuklearmacht wird man respektiert

Die Hauptschlussfolgerungen für die iranische Führung aus der gestrigen Episode scheinen klar. Erstens, allein als Nuklearmacht wird man von den USA als ebenbürtiger Verhandlungspartner angesehen. Donald Trump traf Kim in den letzten Monaten aus einem einzigen Grund: um ihn zur Aufgabe seines nuklearen Waffenarsenals zu überreden. Zweitens, nur mit einem nuklearen Waffenarsenal kann man eine amerikanische militärische Intervention abschrecken.

Erst mit dem Test von nordkoreanischen Interkontinentalraketen, die Ziele in den USA treffen könnten, waren die Amerikaner bereit zu verhandeln und schraubten ihre Kriegsrhetorik zurück. Drittens, der Besitz von Nuklearwaffen verschafft internationale Legitimation.
Ohne Atomwaffen würde ein amerikanischer Präsident wohl kaum einen stalinistischen Diktator treffen und sich auch noch öffentlich per Briefwechsel austauschen.

Das gestrige Treffen offenbart also die Widersprüchlichkeit der amerikanischen Politik: Solange ein Land keine Nuklearmacht ist, kann man, wie Trump, mit „Auslöschung“ drohen und es diplomatisch isolieren; wenn es einmal Atomwaffen besitzt, setzt sich der amerikanische Präsident aber an den Verhandlungstisch.

Mit anderen Worten: Trumps Treffen mit Kim kann die iranische Führung nur in ihrem Glauben bestärken, dass Nuklearwaffen die ultimative Sicherheitsgarantie gegenüber einer amerikanischen militärischen Intervention sind. Die Konsequenzen dieses Fazits werden mit Sicherheit nicht zur Entspannung der anhaltenden Krise im Nahen Osten beitragen und weitreichende geopolitische Konsequenzen mit sich ziehen.