Hochrangige Diplomaten haben bei einem Treffen in Wien einen neuen Versuch gestartet, das Atom-Abkommen mit dem Iran noch zu retten. Zu Mittag kamen Spitzenbeamte aus Deutschland, Russland, Großbritannien, Frankreich, China und der EU mit Irans Vizeaußenminister Abbas Araqchi im Palais Coburg zusammen. Keiner der Beteiligten äußerte sich zu Beginn der Unterredung vor der Presse.

Im Vorfeld hatte Araqchi den Druck auf die Partner der Vereinbarung erhöht. Ohne praktische Ergebnisse werde der Iran wie angekündigt seinen Teil-Ausstieg aus dem Deal konsequent durchziehen. Dazu gehört ein Überschreiten der Obergrenzen bei der Urananreicherung. Am Ende einer Eskalationskette kann nach Angaben aus Teheran auch der Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) stehen.

Ein iranischer Regierungsvertreter erklärte am Donnerstagabend, in seinem Land gebe es Stimmen, sich ein Beispiel an Nordkorea zu nehmen. Nordkorea habe den Atomwaffensperrvertrag verlassen, Atomsprengköpfe getestet und sei dann mit Verhandlungen mit US-Präsident Donald Trump praktisch belohnt worden.

Mit dem Atom-Abkommen von 2015, aus dem die USA im Mai 2018 ausgestiegen sind, sollte der Iran am Bau einer Atombombe gehindert werden. US-Präsident Trump glaubt nicht, dass der Deal dafür ausreicht. Außerdem bemängelt er, dass das Raketenprogramm des Landes nicht Teil der Vereinbarung ist. Der Iran hat immer wieder bestritten, Atomwaffen bauen zu wollen.

Die US-Regierung hat inzwischen zahlreiche Sanktionen gegen den Iran verhängt, die unter anderem dessen Ölexport betreffen. Durch den Druck der USA schrecken viele Unternehmen davor zurück, im Iran zu investieren. Damit ist der von Teheran mit dem Abkommen erhoffte wirtschaftliche Aufschwung ausgeblieben.

Bei den Gesprächen in Wien geht es deshalb zentral darum, ob die verbliebenen Partner den Weg für bessere Wirtschaftsbeziehungen ebnen. Eine von Deutschland, Großbritannien und Frankreich im Jänner gegründete Gesellschaft namens Instex sollte den Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abwickeln. Das ist bisher nicht geschehen.

Iranischer Vizeaußenminister: keine "strategische Geduld" mehr

Die "strategische Geduld" des Iran ist nach Worten des iranischen Vizeaußenministers Abbas Araqchi "am Ende". Die nach dem US-Ausstieg im internationalen Atomabkommen verbliebenen Staaten hätten es verabsäumt, das Vorgehen Washingtons auszugleichen, um den Atomdeal zu retten, erklärte Araqchi nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA am Donnerstag in Wien.

Araqchi äußerte sich Donnerstagabend in Wien derart. Das Treffen unter Vorsitz der EU-Diplomatin Helga Schmid findet im Palais Coburg statt, wo es bereits die entscheidenden Verhandlungen zum Abschluss des Atomabkommens im Jahr 2015 mit dem Iran gab.

Das Abkommen sieht eine Begrenzung des iranischen Atomprogramms sowie eine Überprüfung durch internationale Atominspektoren vor. Im Gegenzug sollen die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran gelockert werden. Ziel des zeitlich begrenzten Deals ist es, die Entwicklung einer iranischen Atombombe zu verhindern. US-Präsident Donald Trump reichte das nicht. Er war im Mai 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und hatte eine Politik des "maximalen Drucks" verkündet. Die seitdem verhängten US-Sanktionen treffen die iranische Wirtschaft schwer.

Araqchi betonte, Teheran habe den verbliebenen Vertragspartnern genügend Möglichkeiten gegeben, ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen zu erfüllen. Gebracht habe das aber nichts. Zugleich lobte er das Festhalten der Europäer sowie Russlands und Chinas am Atomdeal, "doch die politischen Standpunkte sollten in praktische Maßnahmen umgesetzt werden", so der iranische Spitzendiplomat, der bereits an den Wiener Atomverhandlungen 2015 teilgenommen hatte.

Durch das Ausscheiden der USA aus dem Abkommen und neue US-Sanktionen schrecken viele Firmen vor Geschäften mit Teheran zurück, weil sie dann keine US-Geschäfte mehr machen können. Über eine von Deutschland, Großbritannien und Frankreich im Jänner gegründete Gesellschaft namens Instex sollte der Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abgewickelt werden können. Bisher ist aber keine einzige Transaktion über das System erfolgt. Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" wollen europäische Regierung nun ihre Anstrengungen verstärken, um mittels Instex Firmen im Iran-Geschäft vor den neuen US-Sanktionen schützen und so weiteren Handel mit der Islamischen Republik ermöglichen.

Wegen der erhofften, aber ausgebliebenen Aufnahme neuer Wirtschaftsbeziehungen zu den Vertragspartnern des Atomdeals hatte der Iran vor kurzem angekündigt, die unter dem Abkommen zulässige Menge - 300 Kilogramm - niedrig angereicherten Urans zu überschreiten und damit erstmals gegen das Atomabkommen verstoßen. Das ist nach Angaben von Diplomaten aber vorerst nicht geschehen, es könnte jedoch in den kommenden Tagen soweit sein.

Zuletzt hatte der iranische Präsident Hassan Rouhani erklärt, dass die fünf verbliebenen Vertragspartner nur bis zum 7. Juli Zeit hätten, das Wiener Atomabkommen vertragsgerecht umzusetzen. Sonst werde der Iran die zweite Phase seines Teilausstiegs aus dem Deal beginnen. Dann will der Iran unter anderem die Beschränkung der Urananreicherung aufheben und Uran höher anreichern als die im Abkommen vereinbarte Obergrenze von 3,67 Prozent. Das wäre nach Meinung von Beobachtern das Ende des Wiener Abkommens.