Italiens populistische Regierung hat am Samstag ohne großes Aufheben ihr erstes Jahr im Amt gefeiert. Dauerstreit zwischen den Koalitionspartnern und ein schwelender Haushaltsstreit mit der EU dämpften die Feierlaune in Rom. Die Regierung hofft zwar auf eine Einigung mit Brüssel in Sachen Defizit, doch der Ausgang der Verhandlungen mit der EU ist ungewiss.

Für die Regierung von Premier Giuseppe Conte hat eine entscheidende Woche begonnen, von der die künftige Wirtschaftslinie und die Finanzplanung abhängen. Die EU-Kommission prüft derzeit das Schreiben der italienischen Regierung mit der Antwort auf Brüssels Mahnungen wegen des Defizits und könnte bereits am Mittwoch ein Strafverfahren wegen übermäßiger Schulden gegen Italien einleiten. Als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass Brüssel der Regierung in Rom vorerst noch Vorschläge zur Lösung des Budget-Streits unterbreiten wird.

Dialogbereitschaft in Brüssel

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici bemüht sich, den Dialog offen zu halten. "In den vergangenen fünf Jahren habe ich noch niemanden bestraft", sagte er dem Rundfunksender FranceInter am Sonntag. Allerdings gebe es auch Regeln, an die sich alle EU-Staaten halten müssten.

"Unsere Position ist vernünftig, und ich denke, wir werden einen Kompromiss mit der Kommission erzielen", sagte Italiens parteiloser Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria. Die Regierung habe eine "Überprüfung der laufenden Ausgaben" eingeleitet, schrieb Tria in seinem Brief an die EU-Kommission am Freitag. Italiens Wirtschaft sei aber stärker als die anderen EU-Länder vom Wachstumsrückgang betroffen, was seiner Ansicht nach Brüssel berücksichtigen sollte, erklärte der Minister. Pläne der Regierung zur Senkung des Steuerdrucks sollen im Einklang mit dem Ziel einer Defizitreduzierung umgesetzt werden, versicherte der parteilose Finanzminister.

Damoklesschwert über Rom

Tria, Ex-Leiter der Wirtschaftsfakultät an der römischen Universität "Tor Vergata", bemüht sich um Haushaltsdisziplin, handelt jedoch unter dem Damoklesschwert der beiden Vizepremier und Parteichefs der Regierungsparteien Matteo Salvini und Luigi Di Maio. Beide sind entschlossen, den Haushaltsrahmen zu sprengen, um ihre Wahlversprechen umzusetzen. Salvini pocht auf die Einführung einer Flat Tax von 15 Prozent für Einkommen unter 50.000 Euro. Di Maio will eine Milliarde Euro für Familienpolitik ausgeben.

Nicht nur die Europäische Zentralbank (EZB), Rating-Agenturen und US-Experten haben in den letzten Tagen die fehlende Haushaltsdisziplin der Regierung in Rom kritisiert. Auch Italiens Rechnungshof und die Zentralbank haben vergangene Woche wegen der steigenden Verschuldung Alarm geschlagen. Laut der EU-Kommission ist die Verschuldung von 131,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2017 auf 132,2 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Für das laufende Jahr wird mit 133,7 und für 2020 mit 135,2 Prozent gerechnet.

Salvini zeigt sich selbstbewusst

Salvini zeigt sich selbstbewusst und befürchtet kein Brüsseler Strafverfahren. "Es gibt positive Zeichen, dass sich die italienische Wirtschaft erholt. Ich bin überzeugt, dass Brüssel unseren Willen respektieren wird, den Steuerdruck zur Förderung des Wirtschaftswachstums zu drücken", sagte Salvini nach Medienangaben. Der Lega-Chef ist der Ansicht, dass eine Einheitssteuer von 15 Prozent für Personen und Unternehmen die Wirtschaft ankurbeln und sich positiv im Kampf gegen die Steuerhinterziehung auswirken würde. Dies würde zum Teil die Kosten der fehlenden Einnahmen durch den niedrigeren Steuersatz kompensieren. Die Senkung des Steuerdrucks ist ein Steckenpferd im politischen Programm von Salvinis rechter Lega, die bei den EU-Parlamentswahlen am Sonntag mit 34 Prozent als stärkste Einzelpartei Italiens abgeschnitten hat.

An Streit mit Brüssel ist die populistische Regierung in Rom bereits gewöhnt. Ende 2018 hatten die Kommission und Italien monatelang wegen der hohen Staatsschulden über den Haushalt für 2019 gestritten. Am Schluss hatte man sich auf ein Defizit für das Jahr 2019 von 2,04 Prozent geeinigt. Die italienische Wirtschaft ist derzeit von dem niedrigen Wachstum belastet, das bis Jahresende nicht mehr als 0,2 Prozent betragen sollte.