Die US-Justiz hat ihre Anklage gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange erheblich verschärft - dem in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Gründer droht damit bei Auslieferung in die Vereinigten Staaten eine deutlich längere Haftstrafe. Laut US-Justizministerium ist der 47-jährige wegen der Veröffentlichung geheimer US-Dokumente nun auch der Verstöße gegen Anti-Spionage-Gesetze angeklagt. Bisher hatte die Anklage allein auf Verschwörung zum Angriff auf Regierungscomputer gelautet.

Schon allein für diesen Anklagepunkt drohte Assange bereits eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Durch die am Donnerstag veröffentlichten neuen 17 Anklagepunkte könnten jahrzehntelange zusätzliche Gefängnisstrafen hinzukommen. Die US-Regierung hatte bereits im April bei den britischen Behörden die Auslieferung von Assange beantragt. Der Wikileaks-Gründer hatte angekündigt, sich dagegen mit allen juristischen Mitteln wehren zu wollen.

750.000 vertrauliche Dokumente veröffentlicht

Die US-Anklage bezieht sich auf die Wikileaks-Veröffentlichungen von rund 750.000 vertraulichen Dokumenten aus dem Militärapparat und dem diplomatischen Dienst der USA. Diese waren Assange von der US-Soldatin Chelsea Manning - die damals noch als Mann in der Armee diente und mit Vornamen Bradley hieß - zugespielt worden.

Die veröffentlichten Materialien enthielten unter anderem hochbrisante Informationen über die US-Einsätze im Irak und in Afghanistan sowie über die Tötung von Zivilisten und Misshandlung von Gefangenen. Für besondere Bestürzung sorgte ein Video, das den tödlichen Beschuss irakischer Zivilisten durch einen US-Kampfhubschrauber im Jahr 2007 zeigt.

In den neuen Anklagepunkten wird Assange unter anderem angelastet, Manning zum Diebstahl der Dokumente angetrieben und dabei unterstützt zu haben. Auch wird ihm vorgeworfen, Quellen der US-Geheimdienste im Nahen und Mittleren Osten sowie in China enttarnt und damit gefährdet zu haben.

Mit den Anklagen nach dem Anti-Spionage-Gesetz weisen die US-Ermittler die Argumentation von Assange zurück, dass es sich bei Wikileaks um eine journalistische Publikation handle und die dortigen Veröffentlichungen folglich durch die Pressefreiheit geschützt seien.

"Das Ministerium nimmt die Rolle von Journalisten in unserer Demokratie ernst", sagte der leitende US-Bundesanwalt John Demers. "Aber Julian Assange ist kein Journalist." Wikileaks bezeichnete diese Auffassung in einer ersten Reaktion als "Wahnsinn". Sie bedeute "das Ende des Journalismus über nationale Sicherheit" sowie der in der US-Verfassung garantierten Pressefreiheit.

Rechtsstreit könnte sich hinziehen

Assange hatte Anfang Mai während einer Gerichtsanhörung zu dem US-Auslieferungsgesuch per Videoschaltung gesagt, er wolle sich "nicht der Auslieferung ergeben, nur weil ich Journalismus betrieben habe, der viele Preise erhalten und viele Menschen geschützt hat". Der Rechtsstreit um das US-Auslieferungsgesuch könnte sich sehr lange hinziehen.

Derzeit sitzt Assange in Großbritannien eine fast einjährige Gefängnisstrafe ab, zu der er Anfang Mai wegen Verstoßes gegen die Auflagen seiner Kaution verurteilt worden war. Das Urteil bezieht sich darauf, dass Assange sich mit seiner Flucht in die Botschaft Ecuadors in London vor sieben Jahren dem Zugriff der britischen Justiz entzogen hatte.

Asyl entzogen

Nachdem ihm das südamerikanische Land schließlich das politische Asyl entzogen hatte, wurde Assange am 11. April in London festgenommen. Assange war seinerzeit in die Botschaft geflüchtet, um seiner Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo ihm wegen Vergewaltigungsvorwürfen der Prozess gemacht werden sollte.

Schwedische Ermittler streben inzwischen wieder die Auslieferung von Assange an. Ihm wird vorgeworfen, in Schweden eine Frau im Schlaf ohne Kondom vergewaltigt zu haben, obwohl diese wiederholt ungeschützten Sex mit ihm verweigert habe. Der Wikileaks-Gründer spricht dagegen von "einvernehmlichem" Geschlechtsverkehr.