Nach Monaten unter Belagerung im letzten Überrest ihres "Kalifats" in Ost-Syrien sind die Jihadisten verdreckt, ausgehungert und vielfach verletzt, doch selbst in der Niederlage geben sie sich reuelos und unbeugsam.

"Wir werden uns rächen, und das Blut wird Euch bis zu den Knien stehen", ruft eine schwarz verschleierte Frau, die nach wochenlangem Beschuss die letzte Bastion der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in einer Biegung des Euphrat an der Grenze zum Irak verlassen hat.

"Wir sind gegangen, doch wird es neue Eroberungen geben", schreien andere Frauen und bewerfen eine Gruppe von Journalisten mit Steinen. "Der Islamische Staat wird bleiben und größer werden." Als eine Journalistin mit entblößten Haaren sich nähert, packt eine der verschleierten Frauen sie bei den Haaren. "Liest du nicht den Koran? Schämst du dich nicht?", ruft sie. "Gott verdammt die Frau, die einem Mann gleicht", schreit eine andere.

Anspruch auf eigenen Staat

Der Islamische Staat bezog seine Besonderheit und seine Attraktion aus dem Anspruch, ein Staat zu sein mit einer eigenen Währung und eigenen Schulen. Heute ist davon nichts mehr übrig, und den letzten IS-Anhängern, die nach Wochen in Tunneln, Gräben und Zelten aus Baghouz humpeln, bleibt kaum mehr als die Kleider an ihren ausgehungerten Körpern. Die Niederlage eingestehen wollen sie dennoch nicht, geschweige denn Reue zeigen.

"Wir erwarten den Sieg, so Gott will", sagt die 47-jährige Irakerin Umm Mohammed, die mit anderen Frauen in der Wüste bei Baghouz wartet. "Die Nichtsnutze und Feiglinge sind abgehauen, und nun sind auch wir (Frauen) gegangen, weil wir den Männern eine Last waren."

Lied zum Ruhm des IS

In der Nähe verrichten einige Frauen ihr Gebet oder lesen im Koran, während ein staubbedeckter Bub mit einem Lächeln auf den Lippen ein religiöses Lied zum Ruhm des IS singt.

"Der Staat des Kalifats wird nicht verschwinden, er ist in den Hirnen und Herzen der Neugeborenen und der Kleinen eingebrannt", zeigt sich eine ältere Frau überzeugt, die ihren Namen nicht nennen will. Obwohl die endgültige Niederlage nur eine Frage der Zeit war und es aus Baghouz kein Entkommen mehr gab, harrten bis zuletzt tausende Frauen und Kinder mit den IS-Kämpfern im belagerten und zunehmend schrumpfenden "Kalifat" aus.

Reuelos und entschlossen

"Die IS-Anhänger, die aus den letzten Überresten des Kalifats geholt wurden, bleiben weitgehend reuelos, entschlossen und radikalisiert", bemerkte am Donnerstag der US-Kommandant im Mittleren Osten, General Joseph Votel. Mehr als 50.000 mutmaßliche IS-Anhänger haben sich seit Dezember den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ergeben. Nun sind sie im Lager von Al-Hol interniert, das inzwischen völlig überbelegt ist.

Nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer, die am Rande von Baghouz auf den Abtransport nach Al-Hol warten, wollen sich nicht von der IS-Miliz distanzieren. Statt Reue für die Gräueltaten der eigenen Gruppe zu zeigen, wirft ein am Fuß verletzter Mann der internationalen Anti-IS-Koalition "Terrorismus" vor. "Ich habe mich nur wegen meiner Verletzung ergeben", sagt er und betont, er sei seit Anbeginn bei der IS-Miliz dabei gewesen.

Auch Abdel Moneim Najina, der mit seinen ergrauten Haaren weit älter als seine 30 Jahre wirkt, hofft weiter auf neue "Eroberungen" des "islamischen Kalifats", zeigt sich aber von der Führung enttäuscht. "Das Gesetz Gottes wurde angewandt, doch gab es Ungerechtigkeiten. Die Anführer haben Geld gestohlen und die Leute im Stich gelassen", sagt er. Auch vom IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi ist er enttäuscht. "Er hat uns Leuten anvertraut, die uns fallengelassen haben."