Die Kraftprobe zwischen Regierung und Opposition in Venezuela um Hilfslieferungen aus dem Ausland ist gewaltsam eskaliert: An der Grenze zu Brasilien wurden mindestens zwei Menschen bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften getötet. Auch an der Grenze zu Kolumbien gab es Gewalt, hunderte Menschen wurden verletzt.

Der Plan der Opposition, gegen den Willen der Regierung in Caracas Hilfsgüter über die Grenzen zu bringen, scheiterte am Widerstand regierungstreuer Sicherheitskräfte.

Die Soldaten versperrten an den Grenzen zu Kolumbien und Brasilien den Lkw-Konvois, die mit tonnenweise Lebensmitteln und Medikamenten aufgebrochen waren, den Weg. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit Venezolanern, die die Hilfslieferung ins Land lassen wollten. Die Lieferungen kamen nicht durch.

Soldaten schossen auf Zivilisten

Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Foro Penal eröffneten Soldaten an der Grenze zu Brasilien das Feuer und töteten zwei Menschen, unter ihnen ein 14-jähriger Bub. Andere Berichte sprachen von drei Toten. 31 weitere Menschen seien verletzt worden.

Bei Zusammenstößen an der Grenze zu Kolumbien wurden nach Angaben der dortigen Behörden mindestens 285 Menschen verletzt. Die Auseinandersetzungen konzentrierten sich an der Brücke im kolumbianischen Grenzort Cúcuta. Dort hatten sich hunderte Venezolaner eingefunden, um die die Hilfslieferungen in Empfang zu nehmen.

Der selbsternannte Übergangspräsident Venezuelas, Juan Guaidó, hatte seine Anhänger aufgerufen, am Samstag den Einlass der Lieferungen über die Grenze zu erzwingen. Er hoffte dabei auch auf die Unterstützung durch überlaufende venezolanische Soldaten. Der linksnationalistische Präsident Nicolás Maduro lehnt die Lieferungen diese strikt ab. Er verurteilt sie als Vorwand, um eine militärische US-Invasion vorzubereiten.

Guaidó, der am Freitag nach Cúcuta gereist war, rief die internationale Gemeinschaft nach dem Scheitern der Hilfsaktion auf, "alle Möglichkeiten" gegen Maduro in Erwägung zu ziehen. Zudem kündigte er an, ein für Montag anberaumtes Treffen der Lima-Gruppe in Bogotá zu besuchen, an dem auch US-Vizepräsident Mike Pence teilnehmen soll.

In den venezolanischen Grenzstädten San Antonio del Táchira und Ureña gingen Sicherheitskräfte mit Tränengas und Gummigeschoßen gegen Maduro-Gegner vor.

Auf der Santander-Brücke in Ureña wurden zwei Lastwagen von Maduros Truppen angezündet. In Videos in Online-Netzwerken war zu sehen, wie dutzende Menschen inmitten einer großen Rauchwolke aus den Lastwagen Säcke und Kartons mit Medikamenten und Lebensmitteln herausholten. Die kolumbianische Regierung ordnete angesichts der gewaltsamen Blockade die Rückkehr der Lastwagen an. Auch an der Grenze zu Brasilien machten Hilfs-Lkw kehrt.

Venezuela im Abseits 

Wegen der Unterstützung Kolumbiens für die Hilfstransporte brach Maduro die diplomatischen Beziehungen zu dem Nachbarstaat ab. Bei einer Kundgebung in Caracas sagte er, die "faschistische Regierung von Kolumbien" müsse all ihre diplomatischen Vertreter binnen 24 Stunden aus Venezuela abziehen. "Wir werden uns niemals beugen, ich werde niemals nachgeben", sagte Maduro.

US-Außenminister Mike Pompeo kündigte an, sein Land werde "Maßnahmen" zur Unterstützung der Demokratie in Venezuela ergreifen. Nun sei die "Zeit zum Handeln" gekommen, um dem "verzweifelten venezolanischen Volk" zu helfen, schrieb Pompeo im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Rund 60 venezolanische Sicherheitskräfte setzten sich am Samstag nach Kolumbien ab. Sie seien aus den venezolanischen Bezirken Norte de Santander und Arauca in den Nachbarstaat geflohen, teilte die kolumbianische Einwanderungsbehörde mit. "Ich erkenne unseren Präsidenten Juan Guaidó an und ich kämpfe bei jedem Schritt mit dem venezolanischen Volk", sagte einer der Deserteure, der sich als "Major Hugo Parra" vorstellte.

In Venezuela herrscht trotz seines Ölreichtums eine Wirtschaftskrise mit akuten Versorgungsengpässen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben seit 2015 insgesamt rund 2,7 Millionen Menschen Venezuela verlassen.

EU: Maduro muss Hilfslieferungen ins Land lassen

Angesichts der sich zuspitzenden Krise in Venezuela hat die EU dazu aufgerufen, Hilfslieferungen ins Land zu lassen. "Die Weigerung des Regimes, die humanitäre Notlage anzuerkennen, führt zu einer Eskalation der Spannungen", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag im Namen aller 28 EU-Staaten.

Die Berichte über Unruhen, zunehmende Gewalt und eine wachsende Anzahl von Opfern sei besorgniserregend. "Wir fordern die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden nachdrücklich dazu auf, Zurückhaltung zu zeigen, den Gebrauch von Gewalt zu vermeiden und den Eintritt von Hilfe zuzulassen", sagte Mogherini weiter. Zugleich rief die EU erneut zu freien und transparenten Wahlen in Venezuela auf.

Die Spannungen zwischen Opposition und sozialistischer Regierung in Venezuela hatten sich zuletzt massiv verschärft. Der umstrittene Präsident Maduro lässt keine humanitäre Hilfe für die Bevölkerung ins Land. Bei Zusammenstößen an den Grenzen starben am Samstag mehrere Menschen, Hunderte weitere wurden verletzt.