Im Ringen um einen geregelten Brexit bewegen sich die EU und Großbritannien nach Angaben von EU-Diplomaten auf eine Erklärung zu, in der die Gemeinschaft erneut die vorläufige Natur der Auffanglösung für die irische Grenze betonen würde. Es könne eine "parallele Erklärung" beziehungsweise ein "interpretierendes Instrument" zum sogenannten Backstop geben, hieß es am Donnerstag in Brüssel.

Sollten alle Stricke reißen, steht eine Verschiebung des Brexit im Raum. in vertraulichen Gesprächen taucht diese Option immer öfters auf, damit soll ein harter Brexit vermieden werden. Ein solcher Brexit würde in erster Linien Großbritannien treffen, wegen der engen Verflechtung mit dem Festland würden auch die Europäer - in Österreich etwa die Autozulieferer - von den Verwerfungen betroffen sein.

Brüssel wenig optimistisch

Die Gegner der Auffanglösung befürchten, dass Großbritannien damit unbefristet in einer Zollunion mit der EU gefangen sein könnte. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte sich zuvor trotz optimistischer Kommentare aus London pessimistisch zu den Aussichten auf einen geordneten Austritt Großbritanniens geäußert. Seine Bemühungen um eine Lösung seien darauf ausgerichtet, das Schlimmste zu vermeiden, sagte er. "Ich bin nicht sehr optimistisch". Auch sein Stellvertreter Frans Timmermans erklärte, das Risiko eines ungeregelten Brexits am 29. März sei gestiegen.

Verschiebung um ein paar Monate?

"Wir erwägen auch, die Erklärung über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit anzupassen, um die 'alternativen Regelungen' stärker hervorzuheben, um die sich Großbritannien bemüht", sagte ein EU-Diplomat. May werde aber keine ausformulierten Text vor dem 28. Februar bekommen. Ein anderer Diplomat erklärte, die EU werde vor der nächsten Abstimmungsrunde im britischen Parlament am 27. Februar nur andeuten, wohin die Reise gehen könne. "Das Parlament muss zuerst klar zeigen, dass es mit dieser Option dem Brexit-Vertrag zustimmen würde", sagte er. "Wenn die Abgeordneten das tun, dann werden wir die exakten Formulierungen in der zweiten März-Woche ausarbeiten, damit der Gipfel sie beschließen kann."

Andernfalls werde der EU-Gipfel am 21. und 22. März in Brüssel den  Brexit auf die Zeit nach dem 29. März verabschieden müssen, hieß es. Nur so ließe sich dann das schlimmste Szenario eines ungeregelten EU-Austritts vermeiden. Die Auffanglösung gilt als Garantie dafür, dass zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland auch nach dem Brexit keine harte Grenze aufgebaut wird. Dies könnte den Friedensprozess in Nordirland zurückwerfen.

Die britische Premierministerin Theresa May hatte nach ihrem Treffen mit Juncker am Mittwochabend von Fortschritten gesprochen. Finanzminister Philip Hammond sagte, der Zeitdruck habe Bewegung in die Gespräche mit der EU gebracht. Juncker teilte die positive Sicht nicht und begründete seine Skepsis damit, dass es bei jeder Abstimmung im britischen Parlament nur eine Mehrheit gegen etwas gebe, aber nicht für etwas.

Auch Kommissions-Vize Timmermans warnte vor einem ungeregelten Brexit. In den vergangenen zwei Wochen sei seine Sorge diesbezüglich sogar größer geworden. Er bekräftigte, dass die EU-Partner Irland nicht in Stich lassen würden. Großbritannien sollte das Wunschdenken aufgeben, sich von den EU-Regeln verabschieden und zugleich eine harte Grenze zu Irland vermeiden zu können.

May laufen die Minister davon

Mehrere britische Minister wollen May einem Zeitungsbericht zufolge im Parlament die Gefolgschaft verweigern, wenn sie nicht einer Brexit-Verschiebung zustimmt. Die Zeitung "The Sun" berichtete, prominente Kabinettsmitglieder wie Arbeitsministerin Amber Rudd, Justizminister David Gauke und Wirtschaftsminister Greg Clark hätten May aufgefordert, den für Ende März geplanten Austritt des Landes aus der EU zu verschieben und damit die Möglichkeit eines "No-Deal"-Brexits vom Tisch zu nehmen. Andernfalls würden sie mit 20 weiteren Abgeordneten für eine Initiative der oppositionellen Labour Party stimmen.