Seit mehr als 18 Jahren ist Angela Merkel Vorsitzende der CDU - heute wählen die deutschen Christdemokraten eine neue Parteispitze. Beim Parteitag in Hamburg bewerben sich CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz sowie Gesundheitsminister Jens Spahn um Merkels Nachfolge.

Zu Beginn des Parteitags können die Delegierten zudem weitere Personalvorschläge machen. Vom Koalitionspartner SPD kamen unterdessen mahnende Worte im Hinblick auf die zukünftige Zusammenarbeit.

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Heißes Duell wird erwartet

Beobachter erwarten ein Duell zwischen der Merkel-Vertrauten Kramp-Karrenbauer und dem Wirtschaftsliberalen Merz - Spahn werden kaum Chancen eingeräumt. Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Gelingt dies keinem der Bewerber in der ersten Runde, kommt es zu einer Stichwahl der beiden Bestplatzierten.

Merkel stellt sich nicht mehr zur Wiederwahl. Sie wird zu Beginn des Parteitags ihre letzte Rede als CDU-Vorsitzende halten. Im Anschluss stellen sich die Kandidaten um ihre Nachfolge den 1.001 Delegierten vor.

"Offenes, enges Rennen"

Kramp-Karrenbauer sagte am Donnerstagabend in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk, sie glaube, es werde "ein offenes, ein enges Rennen" geben. "Es wird auf jede Stimme ankommen."

Die CDU-Generalsekretärin präsentierte sich erneut als Kandidatin der Mitte: "Die CDU war immer nur dann stark, wenn sie aus all ihren Wurzeln auch volle Kraft ziehen konnte. Das hat in der letzten Zeit etwas gelitten, das muss wieder stärker werden. Und das kann nur jemand tun, der in der Lage ist, über alle Flügel hinweg Angebote zu machen."

Umstrittene Wahlempfehlung

In der Debatte um die umstrittene Wahlempfehlung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) für ihren Konkurrenten Merz sagte Kramp-Karrenbauer, dies habe sie eher noch gestärkt.

CDU-Vize Thomas Strobl verteidigte Schäubles Wahlempfehlung. "Wolfgang Schäuble hat unter Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kabinett unserem Land treu und loyal und hervorragend gedient", sagte der baden-württembergische Innenminister der "Rhein-Neckar-Zeitung". "In seine Meinung jetzt eine Abrechnung hineinzuinterpretieren, finde ich absurd." Schäuble wie Merz hatten in der Vergangenheit ein schwieriges Verhältnis zu Merkel, die noch bis 2021 deutsche Bundeskanzlerin bleiben will.

Strobl sagte, er gehe von geordneten Verhältnissen nach dem Parteitag aus. "Angela Merkel und die oder der neue Parteivorsitzende werden sich nach dem Parteitag ausführlich und in Ruhe zusammensetzen, die Arbeitsgrundlage klären, dann kann das funktionieren."

Die SPD rief unterdessen die CDU auf, sich auch nach dem Parteitag an den Koalitionsvertrag zu halten. "Wir haben einen guten Koalitionsvertrag mit CDU und CSU verhandelt, und ich gehe davon aus, dass sich alle weiter daran halten werden", sagte der deutsche Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) der "Bild"-Zeitung. "Denn er gilt unabhängig von der Frage, wer CDU-Chef oder CDU-Chefin wird."

Ähnlich äußerte sich der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. "Der oder die neue CDU-Vorsitzende muss dafür sorgen, dass die CDU ein verlässlicher und stabiler Faktor im Bund und über die Länder auch im Bundesrat ist", sagte Schneider den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

SPD-Chefin Andrea Nahles zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung aus SPD und Union ungeachtet der Wahl einer neuen CDU-Führung nicht in eine weitere Krise rutschen wird. In den vergangenen Wochen sei die Stimmung in der Großen Koalition gut gewesen, nach ihrem Eindruck hätten sich alle sehr um eine konstruktive Zusammenarbeit bemüht, sagte Nahles am Donnerstagabend in Bremen.

"Demokratie pur"

Erstmals seit 1971 entscheiden die CDU-Delegierten bei der Wahl ihres Vorsitzenden zwischen mehreren Kandidaten. Die Noch-Parteichefin begrüßte den Wettbewerb: "Das ist Demokratie pur, wenn Auswahl besteht", sagte Merkel bei einem Hallenrundgang am Donnerstag. Merkel wird zwar den CDU-Vorsitz abgeben, aber weiter Regierungschefin bleiben.

Viele in der Union erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer, möglicherweise eine Stichwahl. Fraktionschef Ralph Brinkhaus erklärte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin, er könne keinen klaren Favoriten ausmachen. "Es wird ein ganz knappes Rennen. Es wird mitentscheidend sein, wer die Gunst der Stunde auf dem Parteitag am besten für sich nutzen kann. Die letzten Meter in dem Rennen werden entscheiden."

Umfrage

In der Wählergunst legte die CDU kurz vor dem Parteitag deutlich zu. Im neuen ARD-Deutschlandtrend gewannen CDU und CSU vier Prozentpunkte hinzu und kamen somit auf 30 Prozent. In der Umfrage sprachen sich 45 Prozent der befragten Wähler für Kramp-Karrenbauer aus, 30 Prozent für Merz und zehn Prozent für Spahn. Für den Parteitag ist diese Erhebung allerdings nicht direkt relevant, da dort nur die Delegierten abstimmen dürfen.