Damit hatte Arik Brauer nicht gerechnet. Nach seiner auf Hebräisch gehaltenen Rede beim Empfang zur hochkarätig besetzen Antisemitismus-Konferenz im prächtigen Kuppelsaal des Naturhistorischen tauchte Kanzler Sebastian Kurz außer Protokoll auf der Bühne auf, um dem Künstler das Große Goldene Ehrenzeichen zu überreichen. Kurz ergriff das Wort, geißelte Antisemitismus und Antizionismus „als zwei Seiten einer Medaille“, erklärte, Israels Sicherheit sei „nicht verhandelbar“. Zuvor hatte Brauer das „Israel-Bashing“ linker und rechter Kreise gebrandmarkt. Tosender Applaus.

Unter Kurz hat Österreich eine nicht unumstrittene Kursänderung in der Nahost-Politik vollzogen, die Kreiskysche Äquidistanz zwischen Israel und den Palästinensern ist Geschichte. Jüngste Belege der Neupositionierung : Erstmals in der Geschichte sollen die EU-Regierungschefs auf Betreiben des österreichischen Vorsitzes auf einem Gipfel eine Antisemitismus-Erklärung verabschieden. Und bei der Wahl Palästinas zum Vorsitz der informellen G-77-Gruppe enthielt sich Österreich im Oktober  in der UNO der Stimme. Von den 193 Mitgliedern stimmte drei (Israel, USA, Australien) dagegen, 15 Länder, darunter Österreich, versagten den Palästinensern die Unterstützung. „Früher hätten wir mitgestimmt“, räumt ein Insider ein. Frankreich, Deutschland, Großbritannien votierten für die Palästinensern, Im Juni rollte Israels Premier Benjamin Netanjahu dem Kanzler den roten Teppich aus, der Besuch in den palästinensischen Gebieten unterblieb.

In der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) ist Kurz ein Dauergast.
Die These, der Kanzler positioniere sich als „Israel-Versteher“, um den Makel der blauen Regierungsbeteiligung zu kompensieren, greift zu kurz. Schon als Außenminister betrieb er eine Israel-freundliche Politik. Und so ergibt sich die politische Groteske, dass die jüdische Welt gute Kontakte zum Kanzler unterhält, der Koalitionspartner, dessen Wiener Gemeinderäte erst kürzlich der NS-Ikone Walter Nowotny am Zentralfriedhof gehuldigt haben, auf der Watchlist der IKG und Israels steht. Und von Kurz gar nicht zur Antisemitismus-Gala im Naturhistorischen geladen war.