Die Türkei erhöht im Fall des getöteten systemkritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi den Druck auf Saudi-Arabien und stellt wichtigen Bündnispartnern Tonaufnahmen der Tat zur Verfügung. "Sie haben alle Gespräche darauf gehört. Sie wissen Bescheid", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende. Was auf den Bändern genau zu hören ist, blieb zunächst unklar.

Neben den USA verfügten auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Saudi-Arabien über die Aufnahmen, sagte Erdogan. Am Rande der Feiern zum Ende des Ersten Weltkrieges vor Hundert Jahren in Paris beriet Erdogan nach Angaben des US-Präsidialamts vom Sonntag mit US-Präsident Donald Trump über mögliche Antworten in dem Fall. Die USA stoppten am Wochenende die Betankung von Kampfjets der von Saudi-Arabien geführten Allianz im Bürgerkrieg im Jemen. Die Unterstützung Saudi-Arabiens in dem seit drei Jahren währenden Bürgerkrieg, in dem mehr als 10.000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen vertrieben wurden, ist in den USA seit längerem umstritten.

Belastende Tonaufnahmen

Mit seinen Äußerungen versucht Erdogan offenbar, den internationalen Druck auf Saudi-Arabien aufrechtzuerhalten. Khashoggi, ein Kritiker des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, war Anfang Oktober im Konsulat seines Landes in Istanbul getötet worden. Erdogan hatte früher schon erklärt, es handle es sich um eine Bluttat, die von höchster Stelle in Saudi-Arabien angeordnet worden sei, was die Regierung in Riad bestreitet. Diese Darstellung wiederholte der türkische Präsident nun aber nicht mehr.

Nach früheren Angaben türkischer Regierungsvertreter ist die Regierung in Ankara im Besitz von mehreren für Saudi-Arabien belastende Tonaufnahmen zum Fall Khashoggi. In einer davon sei der Hergang der Tötung des Journalisten dokumentiert. Erdogan rief die saudi-arabische Führung auf, den Mörder Khashoggis zu identifizieren, der zu einer Gruppe von 15 Personen gehöre, die einen Tag vor der Tötung des Journalisten Anfang Oktober aus Saudi-Arabien in die Türkei eingereist sei.

"Habe keinen Grund, daran zu zweifeln"

Der saudische Botschafter in Berlin, Prinz Khalid bin Bandar verteidigte in der "Welt am Sonntag" seinen Cousin, den Kronprinzen Mohammed bin Salman, gegen Mordverdacht. "Das ist nicht die Art, auf die er Dinge regelt", sagte er. "Er hat gesagt, er hat nichts damit zu tun. Und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln." Zugleich warb Bin Bandar für einen Neustart der Beziehungen zu Deutschland. Er habe gute Gespräche mit der Regierung in Berlin geführt.

Trump und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron forderten erneut, dass Saudi-Arabien vollständig Klarheit über die Hintergründe der Ermordung Khashoggis schaffen müsse. Beide Staatsmänner seien gemeinsam der Auffassung, dass dieser Fall nicht dazu führen dürfe, den Nahen Osten weiter zu destabilisieren, hieß es aus französischen Regierungskreisen. Zwei Quellen bestätigten der Nachrichtenagentur Reuters, dass inzwischen auch CIA-Direktorin Gina Haspel die Tonaufnahmen zur Tötung Kashoggis gehört habe.

Saudi-Arabien hat nach anfänglichen Dementis zugegeben, dass Khashoggi von saudi-arabischen Sicherheitskräften getötet wurde. Damit ist das Land ins Kreuzfeuer internationaler Kritik geraten, auch seitens seines wichtigen Bündnispartners USA. Riad beschuldigte dabei hochrangige Regierungsmitarbeiter, ein 15-köpfiges Spezialteam zur Ausführung der Tat auf eigene Faust losgeschickt zu haben. Damit wollte die Führung offenbar den mächtigen Kronprinzen Mohammed bin Salman und auch König Salman aus der Schusslinie nehmen. Diese hätten von dem Plan nichts gewusst. Die Version wurde international als wenig glaubwürdig angezweifelt.