Einer gegen viele und jeder gegen jeden: Dieses Grundmuster der Politik unter US-Präsident Donald Trump in Zusammenhang mit dem Umstand, dass sich bestimmte Gruppen bis an die Zähne bewaffnet haben und auch einzelne angesichts der zunehmenden Verunsicherung nicht mehr ohne Waffen sein möchten, lässt die Befürchtung wachsen, dass es in den USA zu einem regelrechten Bürgerkrieg kommen könnte.

Es ist eine hetzerische Politik, der sich Trump verschrieben hat: Hetze gegen Journalisten, Hetze gegen den politischen Gegner, die Demokraten, Hetze gegen Minderheiten, Hetze gegen Flüchtlinge, Hetze gegen den "Feind" im Ausland.

"Es gibt eine konservative weiße Wählerschaft, die Angst hat, zu einer Minderheit in den USA zu werden", formulierte Politologe Reinhard Heinisch bei Armin Wolf in der ZiB 2.

Der Samen dafür wurde bereits unter Barack Obama gelegt, sagen US-Experten: Die ersten vier Jahre unter dem Vorgänger von Donald Trump waren von Hoffnung geprägt, Hoffnung nicht nur auf Seiten der Demokraten und der Minderheiten. Es war die Hoffnung darauf, dass Obama das System ändern könnte, ein System, innerhalb dessen man sich als Verlierer fühlt.

Die Hoffnung war von Enttäuschung gefolgt, Obama konnte das Versprechen innerhalb seiner zweiten vier Jahre im Amt nicht einlösen. Auch weil ihn die Pattstellung zwischen Demokraten und Republikanern im Kongress lähmte - jene Pattstellung, mit der jetzt auch Trump konfrontiert ist, nachdem die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit eroberten.

Doch Trump hat vorgesorgt mit seiner Strategie: Was immer passiert, er ist nicht schuld. Und die Leute scheinen es ihm zu glauben. Wenn er politisch nichts zusammenbringt? Schuld der Demokraten. Wenn er für Verfehlungen medial kritisiert wird? Schuld der Journalisten. Wenn seine Handelspolitik Arbeitsplätze kostet: Schuld anderer Länder. Wenn es auf der Straße zu Konflikten kommt: Schuld der Minderheiten. Wenn er Kritik aus den eigenen Reihen erntet? Schuld der unfähigen Kollegen.

6.420 Lügen in zwei Jahren

6.420 Lügen innerhalb von zwei Jahren hat die "Washington Post" dem US-Präsidenten vorgerechnet. Die Wähler hat es nicht beeindruckt. Zwar haben sie mit einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus ein Gegengewicht geschaffen, aber der Ruck in Richtung Demokraten ging nicht über das hinaus, was das politische Pendel in aller Regel zwei Jahre nach den Präsidentenwahlen hergibt. Im Senat haben die Republikaner ihre Mehrheit noch ausgebaut.

Trump hat sich seine eigene Partei geschaffen. Viele wählen ihn, die sonst gar nicht wählen würden.  Nicht wenige altgediente Republikaner wenden sich mit Grausen. Trump macht kein Hehl daraus, dass er gerne auf sie verzichtet. Es macht ihn stark. Es macht ihn unabhängig. Es macht ihn zu einem "Führer", mit allen negativen Begleiterscheinungen. Die Partei ist ohne ihn nichts. Nach ihm wird sie erst recht nichts sein, doch der Weg dahin ist noch weit.

Der Ton wird täglich schärfer. Trump habe gemerkt, "je mehr er die Leute beschimpft, desto höhere Einschaltquoten bekommt er", sagt die ehemalige US-Botschafterin in Österreich, Helene von Damm. Das sein ein Grund dafür, dass Trump der Marsch ins Weiße Haus gelungen sei und dass er sich so gut halte.

Land unter Waffen

Das Land steht unter Waffen. Allein die Vereinigung der "Oath keepers", eine Gruppe rechtsextremer, radikalisierter Amerikaner, die sich berufen fühlen, das Land gegen welchen Feind auch immer zu verteidigen, stellt eine organisierte "Miliz" von 20.000 bis 25.000 Leuten. Der Ton ist rau, die Zahl der bewaffneten Auseinandersetzungen nimmt zu. "Das Land steht vor einem Bürgerkrieg", sagt Sandra Navidi, Wall-Street-Journalistin.

Die Reichen suchen sich ihre Rückzugsräume. In Neuseeland, in Australien, in Südamerika und möglichst mit eigenem Flughafen, weiß Navidi zu berichten, die viele dieser Reichen persönlich kennt und die Markus Lanz in seiner Talk-Show kürzlich zu einer aktuellen Reportage befragte. Man verachte Trump, aber man trete nicht offen gegen ihn auf. Aus Angst davor, ein Tweet des Präsidenten könnte ihre Aktien  fallen lassen.

Die Waffe als Selbsthilfe

Die Mittelschicht und die Armen spüren die Unsicherheit und greifen zur Selbsthilfe. Auch Opfer von Gewalttaten stecken die Pistole ins Halfter. Um sich beim nächsten Mal verteidigen zu können, gegen wen auch immer. Gleichzeitig steigt die Angst vor allem, was man nicht kennt, und vor dem einem Trump Angst macht. Komme was komme - viele US-Bürger haben nicht einmal einen Pass, fühlen sich im eigenen Land am sichersten, fühlen sich bedroht von fremden Mächten.

Sowohl die Reichen als auch die Armen rechnen also mit einer Konfrontation. Der "Feind von außen" wird von Trump gepflegt. Er wird ihn brauchen, wenn es tatsächlich zu bürgerkriegsartigen Zuständen kommt. Denn zumindest die Liebe der Wähler zu ihm soll nicht getrübt werden, da hilft der Schulterschluss.

Make America white again

Nie wurde das System, das die Reichen begünstigt, so befeuert wie unter Trump. Sandra Navidi berichtet, Trumps gefeuerter Kurzzeit-PR-Chef Anthony Scaramucci spricht heute ganz offen darüber, dass in Washington die Käuflichkeit regiere, dass sich die Käuflichen gemeinsam an der Bevölkerung bereichern und es sich gut gehen lassen. Noch nie gab es mehr Lobbyisten in Washington als heute, die von diesem System leben. Die Profiteure stützen Trump, und Trump stützt sie, viele davon frühere Geldgeber. 

Doch die Armen nehmen es nicht ihm übel, sondern ortet den Feind in der eigenen Klasse, beobachtete Navidi. Die einzelnen Gruppen kämpfen gegeneinander, die Eliten werden nicht angegriffen. Die Hoffnung, dass Trump es besser macht als seine Vorgänger, lebt. Wo er bereits gescheitert ist, wird es anderen zugeschrieben - den Medien, den Demokraten.

Und die Weißen, die wissen, dass sie bald die Minderheit im eigenen Land sein werden, könnten damit nicht umgehen. "Make America great again" werde anders gelesen, meinen die Experten: "Make America white again".