Ein hochrangiger türkischer Behördenvertreter hat am Dienstag mitgeteilt, dass die Polizei einen "gewissen Beweis" für die Ermordung des verschwundenen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul bei der Durchsuchung dort gefunden hat. Das twitterte die Agentur AP Dienstag Nachmittag.

Das saudi-arabische Konsulat in Istanbul war zuvor neun Stunden lang durchsucht worden.  Die türkischen Behörden prüfen offenbar auch, ob im Zusammenhang mit dem Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi Gift eingesetzt wurde. Die Ermittler gingen "vielen Dingen nach, wie etwa toxischen Materialen und solchen Materialen, die entfernt wurden, indem sie übermalt wurden", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag vor Journalisten.

Er bezog sich in seinen Äußerungen auf die neunstündige Durchsuchung des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul am Montag. Er hoffe, dass sobald wie möglich Schlussfolgerungen gezogen werden könnten, "die uns eine vernünftige Meinung liefern".

Nach dem Verschwinden und möglichen Tod des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi erhebt ein anderer Dissident schwere Anschuldigungen gegen das Königreich. Der in Deutschland lebende Prinz Khalid bin Farhan al-Saud sagte der Deutschen Presse-Agentur, Vertreter der Regierung des Landes hätten ihn erst vor wenigen Wochen in eine Falle locken wollen, um ihn nach Saudi-Arabien zu verschleppen. Unterdessen ist US-Außenminister Mike Pompeo in Saudi-Arabien eingetroffen, um dort mit der Führung des Landes über das mysteriöse Verschwinden des Journalisten Khashoggi zu sprechen. 

"Ein paar Tage vor dem Verschwinden Khashoggis haben sie mit einem Verwandten von mir in Kairo gesprochen und ihm einen Scheck gezeigt." Dem Verwandten sagten sie demnach, sie wollten dem Prinzen wegen seiner angeblichen finanziellen Probleme helfen. "Ich müsste den Scheck nur in der saudischen Botschaft in Ägypten abholen." Wenn er dem Ruf gefolgt wäre, so ist sich Prinz Khalid sicher, wäre er genauso verschwunden wie Kritiker Khashoggi. Anfragen an die saudischen Behörden zu den Vorwürfen blieben unbeantwortet. Der Staatsschutz in Düsseldorf bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass er wegen der generellen Bedrohungslage seit Jahren in Kontakt mit Prinz Khalid und dessen Familie stehe.

Laut CNN arbeiten die saudischen Behörden an einem Bericht, in dem der Tod Khashoggi eingeräumt werden soll. Konkret will man die Erklärung auftischen, dass der kritische Journalist während eines Verhörs versehentlich ums Leben gekommen sei. Der Tod soll als Unfall dargestellt werden, so CNN unter Berufung auf zwei Quellen. Riad will angeblich beteuern, dass das Verhör nicht vorschriftsgemäß abgelaufen sei, die involvierten Personen hätte sich über Bestimmungen und Verfahrensabläufe hinweggesetzt. Mit dieser Erklärung will sich das Königshaus, das in den letzten Tagen international massiv unter Druck geraten ist, offenkundig aus der Schusslinie nehmen.  

Werbung für "Hunter Killer" abgesagt

Die Türkei beschuldigt Saudi-Arabien, Khashoggi getötet und seine Leiche fortgeschafft zu haben. Die Regierung in Riad weist dies zurück.

Nach dem mysteriösen Verschwinden Khashoggis hat Hollywood-Star Gerard Butler (48, "300") eine geplante Reise in den Wüstenstaat abgesagt. "Es ist nicht die richtige Zeit, darin involviert zu werden. Es wäre sehr unsensibel gewesen, nach Saudi-Arabien zu reisen", sagte Butler am Montag (Ortszeit) in Washington. Der britische Schauspieler wollte in dem Königreich Werbung für seinen neuen Film "Hunter Killer" machen und auch den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman treffen.

Tagelanges Tauziehen um Durchsuchung

US-Präsident Donald Trump ließ sich zuvor von Saudi-Arabiens König Salman versichern, dass das Königreich nichts mit dem Verschwinden des Regierungskritikers zu tun habe. Es war das erste Mal, dass türkische Beamte seit dem Verschwinden Khashoggis das Konsulat betraten. Saudi-Arabien hatte die Türkei zwar kurz nach dem Verschwinden eingeladen, sich in dem Gebäude ein Bild von der Lage machen. Aber um die Durchsuchung des Konsulats und die damit zusammenhängenden Ermittlungen hatte es ein tagelanges Tauziehen zwischen beiden Ländern gegeben.

Khashoggi hatte das Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul am 2. Oktober aufgesucht, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen. Nach Angaben seiner türkischen Verlobten, die draußen wartete, kam er nicht wieder heraus. Türkische Ermittler gehen davon aus, dass der Journalist und Regierungskritiker in dem Gebäude von Agenten seines Landes ermordet wurde. Saudi-Arabien bestreitet dies, ist aber den Beweis schuldig geblieben, dass Khashoggi das Gebäude lebend verließ.

Verhört, gefoltert und ermordet?

Zeitungsberichten zufolge soll es Ton- und Videoaufnahmen aus dem Konsulat geben, die beweisen, dass der 59-Jährige im Konsulat verhört, gefoltert und ermordet wurde. Anschließend sei seine Leiche zerteilt worden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte am Sonntag erstmals seit dem Verschwinden Khashoggis mit Saudi-Arabiens König Salman. In dem Gespräch sei es darum gegangen, "Licht in den Fall" zu bringen, verlautete aus dem türkischen Präsidialamt. Salman habe die Wichtigkeit der Beziehungen beider Länder betont.

Am Montag telefonierte Trump mit König Salman. Dieser habe vehement bestritten, dass die Führung des Königreichs etwas mit dem Verschwinden des Journalisten zu tun habe, sagte Trump vor Journalisten in Washington. Er könne nur berichten, was der König ihm gesagt habe. "Er sagte mir sehr entschieden, dass sie von nichts wussten." Es habe sich für ihn so angehört, als könnten "vielleicht schurkenhafte Killer" am Werk gewesen sein, sagte Trump. "Wer weiß?"

Trump teilte zudem mit, dass sich Außenminister Mike Pompeo auf den Weg nach Saudi-Arabien gemacht habe. Pompeo sollte am Dienstag König Salman treffen. Am Wochenende hatte Trump erstmals die Vermutung geäußert, dass Khashoggi tot ist. Er schloss nicht aus, dass Saudi-Arabien dafür verantwortlich sein könnte und drohte Riad mit einer "schweren Strafe". Der US-Präsident ist ein enger Verbündeter Saudi-Arabiens. Dort zieht seit vergangenem Jahr Kronprinz Mohammed bin Salman die Fäden. Er fährt einen harten Kurs gegen seine Kritiker.

Der Fall sorgt seit Tagen international für Aufsehen und hat viele Staaten auf Distanz zu Riad gehen lassen. Auch immer mehr Unternehmen distanzieren sich: Zahlreiche Firmenschefs sagten wegen des Falls Khashoggi ihre Teilnahme an einer Wirtschaftskonferenz in Saudi-Arabien ab. Deutschland, Frankreich und Großbritannien forderten am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung die saudi-arabische Regierung zur vollständigen Aufklärung des Falls auf.