Die deutschen Regierungspartner Union und SPD wollen mit dem neuen Koalitionsgipfel neben dem Fall des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen auch die weitere Zusammenarbeit in der Regierung klären. Mehrere Spitzenpolitiker der Koalitionsparteien sprachen sich am Samstag für ein Ende der ständigen Querelen aus, wobei Innenminister Horst Seehofer auch von CDU-Politikern kritisiert wurde.

"Es darf jetzt keinerlei Zweifel mehr daran geben, dass alle Regierungsparteien in der Lage und willens sind, sich um das zu kümmern, was den Menschen wirklich am Herzen liegt", schrieb CDU-Generalsekretärin Annergret Kramp-Karrenbauer am Samstag an die Parteimitglieder. Darin liege die Chance der Gespräche. "Aber diese Chance müssen wir jetzt auch ergreifen." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte: "Die Große Koalition hat nur Bestand, wenn alle begreifen, dass jetzt Schluss ist mit den Auseinandersetzungen." In Hessen wird im Oktober gewählt. Vize-Kanzler Olaf Scholz (SPD) betonte: "Die Regierung ist für die ganze Legislaturperiode gewählt." Die Jahre würden aber nicht einfach.

Nach Angaben aus Koalitionskreisen rangen die drei Parteien um eine für alle akzeptable, tragfähige und nach außen vertretbare Lösund noch an diesem Wochenende. Dabei sollte schon vor dem für Sonntag geplanten Koalitionsgipfel eine Einigung der Parteichefs gefunden werden. Demnach dürften sich die drei Parteichefs im Umfeld des für Sonntagnachmittag im Kanzleramt geplanten Dieselgipfels treffen, um einen Kompromiss zu erzielen.

Zurückrudern als "Stärke"

Scholz nahm im "Tagesspiegel am Sonntag" wie viele Parteifreunde SPD-Chefin Andrea Nahles wegen ihrer Wende im Fall Maaßen in Schutz. Sowohl Vertreter des linken wie des rechten Flügels nannten es richtig, dass Nahles den Beschluss zum Wechsel Maaßens als Staatssekretär ins Innenministerium wieder ändern wolle. "Es ist eine Stärke, falsche Entscheidungen infrage zu stellen und sie zu korrigieren", sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner dem NDR. Der NRW-Landesverband fasste einen Beschluss, wonach Maaßen ohne Beförderung gehen müsse. Die Wende von Nahles wurde gelobt: "Das ist gut so." Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, sagte dem NDR, für eine Rückkehr zur Sachpolitik seien die Neuverhandlungen notwendig.

Nahles hatte am Freitag in einem Brief an CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) eine Abkehr von der beschlossenen Beförderung Maaßens zum Staatssekretär verlangt. Dies sei bei den Menschen auf Unverständnis gestoßen. Vorausgegangen war massive Kritik aus der SPD an ihrer Vorsitzenden, die die Personalie mit abgesegnet hatte. Forderungen reichten bis zur Auflösung der Koalition. Zuvor hatte Nahles vehement die Ablösung Maaßens unter anderem wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu den rechtsextremen Zwischenfällen in Chemnitz gefordert. Die drei Parteivorsitzenden wollen nach Angaben von Merkel noch am Wochenende eine "tragfähige Lösung" im Fall Maaßen finden.

Kritik an der Rolle von Innenminister Seehofer (CSU) im Fall Maaßen kam nicht nur aus der SPD. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warf in seinem Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe vor, er neige zu "einsamen, überraschenden Entscheidungen". Auch der Vizevorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, äußerte sich skeptisch zum CSU-Chef. "Die Bundeskanzlerin muss das Machtspiel des Bundesinnenministers durch Wahrnehmung ihrer Richtlinienkompetenz beenden und auf der sofortigen Abberufung Maaßens bestehen", sagte er dem "Handelsblatt".

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci forderte die Entlassung Seehofers. "Es geht nicht um Herrn Maaßen. Es geht darum, ob wir gemeinsam dieses Land ordentlich regieren können", sagte er der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Wochenendausgabe). Seehofer habe früher "aus München ständig Störfeuer gezündet. Jetzt tut er es aus Berlin". Daher sei es nun "Zeit, dass Angela Merkel ihn rausschmeißt". Kahrs sagte dem NDR mit Blick auf die drei Parteichefs: "Da hat man zwei, die vernünftig sind und einen, der immer wieder einen radikalen Kurs fährt. Jetzt ist man soweit zu sagen: Es reicht!"

In Umfragen verlieren SPD und Union offenkundig auch wegen des Streits um Maaßen an Zustimmung. Die AfD überholte im ARD-Deutschlandtrend die SPD und kam auf 18 Prozent. Die Union würde demnach bei einer Bundestagswahl jetzt auf 28 Prozent fallen.