Der britische Wirtschaftsminister Greg Clark zeigt sich "sehr zuversichtlich", dass bei den Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien bis Oktober eine Einigung erzielt werden kann. "Über 80 Prozent des Austrittsvertrages haben wir uns bereits geeinigt", sagte Clark am Dienstag zur APA. Nach wie vor ungelöst sei aber die Frage künftiger Kontrollen an der irisch-nordirischen Grenze.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat indes davor gewarnt, dass Großbritannien nach einem EU-Austritt zu viele Vorteile haben könnte. "Denn wenn raus kommt: Du kannst austreten, hast alle Vorteile ... das wäre auch keine gute Werbung für die EU", sagte Merkel am Dienstag in einem Bürgerdialog über Europa.

Sie verwies etwa auf EU-Auflagen oder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der sich die Regierung in London nicht mehr unterwerfen wolle. Deshalb müsse klar werden, dass es auch für Unternehmen negative Folgen durch den Brexit geben müsse.

Klare Fronten

Die britische Regierung kann bei ihrer Suche nach Bündnispartnern in den Brexit-Verhandlungen offenbar nicht auf die FPÖ zählen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat sich am heutigen Dienstag nach einem Treffen mit dem britischen Wirtschaftsminister Greg Clark in Wien demonstrativ hinter die EU-Kommission gestellt. Diese führe die Verhandlungen für die EU, unterstrich der FPÖ-Chef.

Clark ist nach Premierministerin Theresa May und Außenminister Jeremy Hunt das dritte hochrangige britische Regierungsmitglied, das Österreich innerhalb eines Monats besucht hat. Beobachter stehen die rege Reisediplomatie als Versuch, einen Keil zwischen die Mitgliedsstaaten zu treiben, die bisher relativ geschlossen hinter EU-Chefverhandler Michel Barnier stehen. 

Clark war dem Vernehmen nach bemüht, neben seiner Amtskollegin Margarete Schramböck (ÖVP) auch Vertreter der FPÖ zu treffen, bei der mehr Sympathie für die britischen Anliegen vermutet wird. Nach der Brexit-Entscheidung hatte die damalige Oppositionspartei mit einem Öxit geliebäugelt, Parteichef Strache äußerte noch im Vorjahr die Erwartung, dass London nach dem EU-Austritt besser dastehen werde.

Strache wollte auf eine Frage der APA seine im Nationalratswahlkampf getroffene Einschätzung, wonach Großbritannien nach dem Brexit besser dastehen werde, nicht wiederholen. "Als Vizekanzler" wolle er keine Prognosen für die Zukunft anstellen, so Strache. Zugleich sprach er sich für ein Verhältnis aus, in dem "beide Seiten keine Nachteile haben sollen"

Briten sehr zuversichtlich

"Wir sind uns bereits einig darüber, was unsere finanziellen Verpflichtungen sind und was den Finanzrahmen angeht", sagte hingegen Clark nach dem Treffen mit Schramböck  und  Strache. Einig sei man sich auch über die Rechte der Bürger, in der EU bzw. in Großbritannien zu leben und zu arbeiten. "Wir haben also enorme Fortschritte gemacht."

Was man jedenfalls vermeiden wolle sei eine "harte Grenze" mit Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland. Das sei ein wesentlicher Bestandteil des Friedensabkommen für Nordirland. Der Verzicht auf Zollkontrollen für den Güterverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU würde nicht nur dieses Problem lösen, sondern hätte auch den Vorteil, dass die quer über den Kontinent bestehenden Zulieferketten nicht unterbrochen würden. Besonders wichtig sei das etwa in der Autoindustrie, die stark auf Just-in-time-Produktion ausgerichtet sei. Verzögerungen durch Zollkontrollen wären für alle Beteiligten schädlich, sagte Clark.

Das von Großbritannien im Juli veröffentlichte Weißbuch enthalte mutige Vorschläge für eine Lösung, betonte der Minister. Das würde eine ausreichende Übergangsphase ermöglichen und die Kontinuität der bestehenden Handelsbeziehungen gewährleisten. "Dieses Weißbuch wird sehr positiv diskutiert."

Keine zweite Abstimmung

Eine zweite Brexit-Volksabstimmung sei vollkommen ausgeschlossen, betonte Clark, selbst wenn keine Einigung mit der EU über einen geregelten Austritt gefunden werden sollte. Die beim Referendum im Juni 2016 gestellte Frage sei sehr eindeutig gewesen: "Soll Großbritannien aus der Europäischen Union austreten?" Beide Seiten hätten klargemacht, dass die beim Referendum getroffene Entscheidung der Wähler umgesetzt würde, ganz gleich, wie das Resultat sei. "Ich glaube, dass wird dieses Versprechen halten müssen." Darüber hinaus habe es im vergangenen Jahr auch Parlamentswahlen gegeben, bei denen die wichtigen Parteien ihre Pläne für die Brexit-Umsetzung präsentiert hätten.

"Am 29. März werden wir die Europäische Union verlassen", bekräftigte der Minister. Die kommenden Tage und Wochen seien daher besonders wichtig, um bei den Verhandlungen eine Einigung zu erzielen, weil alles andere für beide Seiten schädlich wäre. Man müsse der Welt zeigen, dass historische Freunde und Nachbarn auch in turbulenten Zeiten eine Einigung erzielen können, die die gemeinsamen Werte und Bande respektiere und den Wohlstand sicherstelle.