Die britische Regierung hat das mit Spannung erwartete Weißbuch über die künftigen Beziehungen mit der Europäischen Union vorgelegt. Kernpunkt ist eine Freihandelszone, die den freien Warenverkehr zwischen dem Kontinent und Großbritannien garantieren soll. Dafür will sich Großbritannien auch künftig an europäische Regeln und Produktstandards halten.

London strebt die schrittweise Einführung neuer Zollregeln an, und neue Zollbestimmungen sollen so sein, als sei Großbritannien Teil eines gemeinsamen Gebietes mit der EU. In Sachen Sicherheit will Großbritannien die bestehenden Einrichtungen beibehalten.

In Sachen Dienstleistungen, zum Beispiel für Banken und Versicherungen, will Großbritannien aber eigene Wege gehen und akzeptieren, dass der Zugang zum Binnenmarkt in Zukunft eingeschränkt sein wird. Das Land will aber auch die unkontrollierte Zuwanderung von EU-Bürgern unterbinden.

Fraglich ist, wie die EU auf die Pläne reagiert. EU-Chefunterhändler Michel Barnier twitterte am Donnerstag, man werde das Weißbuch nun "im Lichte der Richtlinien der EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament" analysieren. Das Angebot der EU sei ein Freihandelsabkommen "plus eine effektive Zusammenarbeit auf einem breiten Feld von Themen einschließlich einer starken Sicherheitszusammenarbeit".

Tumultartige Szenen

Bei der Präsentation des Weißbuchs kam es im Londoner Unterhaus zu tumultartigen Szenen. Oppositionsabgeordnete beschwerten sich am Donnerstag massiv, weil sie im Voraus keine Exemplare des vom neuen Brexit-Minister Dominic Raab präsentierten Dokuments erhalten hatten, die Sitzung musste kurzzeitig unterbrochen werden.

Zudem veröffentlichten eine konservative Webseite fast zeitgleich alternative Pläne, die angeblich noch unter Federführung des Vorgängers Raabs, David Davis, entworfen wurde. Davis und auch Außenminister Boris Johnson hatten im Streit um die neuen Pläne am Montag ihr Amt niedergelegt. Sie fürchten, dass Großbritannien mit der neuen Strategie zu eng an die EU gebunden bleibt.

Rückendeckung erhielten die Brexit-Wortführer von US-Präsident Donald Trump, der Theresa Mays Kurs in Zweifel zog. "Ich weiß nicht, ob es das ist, wofür sie gestimmt haben", sagte Trump mit Blick auf die Teilnehmer des britischen Brexit-Referendums. "Das Volk hat für einen Bruch gestimmt", die britische Regierung aber werde "vielleicht einen etwas anderen Kurs einschlagen".

"Votum des britischen Volks"

May verwahrte sich gegen den Vorwurf, den Willen der Wähler zu missachten. "Wir setzen das Votum des britischen Volkes um", sagte sie in Brüssel mit direktem Bezug zu Trumps Äußerung. Dies bleibe das Ziel ihres neuen Brexit-Plans.

Trumps Äußerungen gelten als besonderer Affront, da er unmittelbar vom NATO-Gipfel zu einem offiziellen Besuch nach London weiterreiste. Dass sich ein Staatsgast wie Trump derart deutlich zu einer innenpolitischen Debatte des Gastlands äußert, gilt in der Diplomatie als sehr unüblich.

May verteidigte ihren neuen Plan für den Brexit in einem Zeitungsbeitrag öffentlich. Sie sei überzeugt, dass dies "der richtige Brexit-Deal für Großbritannien" sei, schrieb sie am Donnerstag in der Boulevardzeitung "The Sun". "Nur unser Brexit-Deal für Großbritannien respektiert wirklich den Willen des britischen Volks."

Die von der EU bevorzugte Variante - ein Standard-Handelsabkommen für Großbritannien mit Nordirland - werde das Land zerbrechen, schrieb May. Ihr Plan dagegen werde unter anderem dafür sorgen, dass nicht länger Jobsuchende aus ganz Europa unkontrolliert nach Großbritannien einreisten. Großbritannien, nicht Brüssel, werde entscheiden, wer im Land leben und arbeiten dürfe. Auch seine Handelspolitik werde das Land komplett in die eigenen Hände nehmen.