Der Knalleffekt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der das EU-Freihandelsabkommen CETA mit Kanada vorerst nicht unterschreibt, stößt in der Politik nicht auf Kritik. Große Teile des Vertrags bleiben (unverändert seit Herbst 2017) vorläufig in Geltung. Regierung und Wirtschaft heben aber die positiven Wirkungen von CETA hervor.

Van der Bellen hatte erklärt, er warte auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), wie dies auch andere Staaten machen. Entscheidend für das Zuwarten sind die Zweifel, ob die geplanten Schiedsgerichte mit EU-Recht konform gehen, teilte die Präsidentschaftskanzlei am Mittwoch schriftlich mit.

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Verfahren anhängig

Hintergrund dazu: Beim EuGH ist derzeit ein von Belgien initiiertes Verfahren anhängig, das die im Handelsabkommen CETA enthaltenen Schiedsgerichte auf ihre Konformität mit dem EU-Recht prüft. Falls der EuGH negativ entscheide, dann bedeute dies, dass alle entsprechenden Ratifizierungsschritte der Mitgliedstaaten nichtig seien und das Abkommen neu verhandelt werden müsse, so die Präsidentschaftskanzlei.

Sie verweist dabei auf den Ministerratsvortrag von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) vom 14. Mai 2018. Dort heiße es wörtlich: "Der Abschluss des Abkommens seitens der Europäischen Union wird nach Ergehen eines positiven Gutachtens oder, im Falle der Feststellung von Unvereinbarkeiten mit dem Unionsrecht, nach allfälligen Nachverhandlungen erfolgen."

Ministerium: Entscheidung ist zu akzeptieren

"Die Entscheidung des Herrn Bundespräsidenten ist selbstverständlich zu respektieren", hieß es aus dem ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium. "Nachdem der ehemaligen Bundeskanzler Christian Kern am 28. Oktober 2016 die Zustimmung zu CETA auf europäischer Ebene gegeben hatte und am 21. September 2017 der EU-Teil vorläufig in Kraft getreten ist, hat auch die Prüfung der Präsidentschaftskanzlei ergeben, dass das Freihandelsabkommen inhaltlich in allen Punkten positiv bewertet und somit der Beschluss des Nationalrates grundsätzlich bestätigt wird", so Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.

Wirtschaftskammer rechnet weiter mit rascher Umsetzung

Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV) "respektieren" zwar ebenfalls die Entscheidung des Bundespräsidenten. Jedoch sagt WKÖ-Präsident Harald Mahrer: "Ganz grundsätzlich ist und bleibt CETA ein gutes Abkommen, von dem gerade ein exportorientiertes Land wie Österreich eindeutig profitieren wird."

"Wichtig sei, dass die aktuelle und vorherige Bundesregierung - unter SPÖ-Führung - und nunmehr auch das Parlament sich bereits klar für das gut gemachte und fair gestaltete Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada ausgesprochen haben", betonte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Bereits die vorläufige Anwendung von CETA habe durch den Abbau von Handelshemmnissen im ersten Quartal des Jahres zu einem Anstieg der heimischen Exporte von knapp 20 Prozent geführt.

Strache begrüßt Entscheidung

Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache reagiert erfreut: "Die Entscheidung findet meine volle Unterstützung. Besonders, da es dadurch auch keine zeitliche Verzögerung gibt, weil der Rechtsbereich erst in Kraft tritt, wenn alle Länder ratifiziert haben", so Strache.

Auch von SPÖ-Chef Christian Kern wird die Entscheidung "sehr begrüßt". "Im Lichte der Entwicklung gibt es im Moment keinen Grund, diese Ratifizierung vorzunehmen und damit den Investorenschutz, wie er jetzt in CETA ist, in Stein zu meißeln", so Kern. Der ÖGB wiederum betont in seiner Reaktion, dass Schiedsgerichte inakzeptabel seien.

Verfassungsrechtler gab Van der Bellen grünes Licht

Die Präsidentschaftskanzlei verweist auch auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ludwig Adamovich, der als Berater des Bundespräsidenten tätig ist. Er schreibt darin: "Ich komme somit zum Ergebnis, dass keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Absicht des Bundespräsidenten bestehen, die Ratifikation von CETA bis zum Vorliegen des vom Königreich Belgien beantragten Gutachtens des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzuschieben."

Eine ausführliche Begründung, warum Van der Bellen laut Adamovich die Ratifikation aufschieben darf, lesen Sie hier.