Ein internes Papier des österreichischen Vorsitzes zur europäischen Asylpolitik sorgt innerhalb und außerhalb von EU-Kreisen für heftige Diskussionen. Der französische „Le Monde“ widmete dem kontroversen Papier, das auch der Kleinen Zeitung vorliegt, am Freitag sogar die Titelseite, auch die renommierte „Financial Times“ befasste sich ausführlich mit dem elf-seitigen Dokument, das aus dem Innenministerium in Wien stammt und den anderen 27 EU-Ländern bei einem Treffen am 2. und 3. Juli in Wien vorgeleget wurde.

Darin macht sich der österreichische EU-Vorsitz für einen „Paradigmenwechsel“ in der europäischen Asylpolitik stark. Künftig kann kein Asylantrag mehr auf EU-Boden gestellt werden, lautet die radikale Kernforderung in der Unterlage, die als „Room Document“ (nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Dokument) ausgewiesen wird. Ausnahmen stellen Migranten aus den unmittelbaren Nachbarstaaten der EU dar oder wenn sich jemand aus einem Drittstaat auf den Weg nach Europa macht und unterwegs in keinem Land Asyl findet.

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Papier des EU-Vorsitzes

Wenn es nach den Autoren des Papiers geht, sollten Asylsuchende in ihrer Region bleiben. Die Flüchtlingskrise des Jahres 2015, heißt es in der Einleitung, hätte „bei vielen den Eindruck erweckt, dass die politischen Eliten und die EU die Kontrolle über die Situation verloren“ hätten. Die Idee, dass politisch Verfolgte etwa in UNHCR-Lagern oder in den lang diskutierten Asylzentren in Afrika oder anderswo um Schutz in Europa bitten, findet sich nicht darin.

Als Rechtfertigung für die harsche Position werden mehrere Punkte aufgeführt. Zum einen hofft man, so der generelle Tenor des Dokuments, auf diese Weise Schleppernetzwerken den Boden unter den Füßen zu entziehen. Zum anderen werden kulturelle Gründe – in einer sehr pauschalen Form – ins Treffen geführt. Die Migranten hätten „beträchtliche Probleme, in freien Gesellschaften zu leben.“ Unter den Flüchtlingen fänden sich auffallend viele „schlecht ausbildete, junge Männer“, die sich allein auf den Weg nach Europa gemacht hätten. Viele seien „anfällig für Ideologien, die die Freiheit ablehnen“, bzw. für kriminelle Machenschaften. In dem Kontext wird auch die Forderung nach „Kapazitätsgrenzen für die Integration von Drittstaatsangehörigen in die europäische Gesellschaft“ aufgestellt.

Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal versuchte auf Anfrage der Kleinen Zeitung die Bedeutung des brisanten Papiers herunterzuspielen. Es handle sich um einen „Denkanstoß“ bzw. eine „Diskussionsgrundlage.“ Gradmesser der österreichischen Politik in dieser Asylfrage als EU-Vorsitzender seien die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels.

"Papier von sehr mäßiger Qualität"

Kein gutes Haar an dem Papier lässt der renommierte Grazer Völkerrechtler Wolfgang Benedek. Er spricht von einem Papier von „sehr mäßiger“ Qualität. „Erst werden die möglichen Bedrohungen sehr übersteigert dargestellt, um dann drastische Maßnahmen zu empfehlen. Diese sind aus völkerrechtlicher, europarechtlicher und menschenrechtlicher Sicht höchst problematisch. Eine rechtliche Prüfung scheint noch gar nicht stattgefunden zu haben.“