Bei der türkischen Präsidentenwahl hat Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan in Deutschland und Österreich ein besseres Ergebnis erzielt als zu Hause. Nach Auszählung von fast 80 Prozent der Stimmen in Deutschland kam er auf 65,7 Prozent der Stimmen im Vergleich zu 52,6 Prozent insgesamt.

In Österreich lag die Zustimmung für Erdogan nach Zählung von mehr als 80 Prozent der Stimmen sogar bei 72 Prozent. Möglicherweise hat hier auch der Protest gegen die Moscheen-Schließung noch eine Rolle gespielt.

In Europa hatte Erdogan nur in Belgien (74,1 Prozent) und den Niederlanden (72,9 Prozent) eine höhere Zustimmungsrate. Türkeiweit kam Erdogan nach vorläufigen Zahlen auf etwas über 50 Prozent.

Auf Muharrem Ince von der oppositionellen Mitte-Links-Partei entfielen in Österreich 16,9 Prozent. Türkeiweit waren dies rund 30 Prozent.

"Wie die AfD"

In der Bundeshauptstadt Wien und in verschiedenen deutschen Städten haben Anhänger von Erdogan dessen Wiederwahl gefeiert. Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte das Wahlverhalten der Deutschtürken scharf. "Die feiernden deutsch-türkischen Erdogan-Anhänger jubeln nicht nur ihrem Alleinherrscher zu, sondern drücken damit zugleich ihre Ablehnung unserer liberalen Demokratie aus. Wie die AfD eben", sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. "Das muss uns alle beschäftigen."

Erdogan hatte auch schon bei früheren Abstimmungen deutlich mehr Rückhalt bei den Türken in Deutschland als bei denen zu Hause. Bei der Parlamentswahl im November 2015 kam seine AKP in Deutschland auf 59,7 Prozent. Beim Referendum über Erdogans Verfassungsreform stimmten 63,1 Prozent mit Ja, in Österreich sogar 73 Prozent.

Bis zum 19. Juni konnten Türken in 13 Wahllokalen in Deutschland abstimmen. Mit 49,7 Prozent der 1,443.585 Wahlberechtigten war die Wahlbeteiligung bis zu diesem Datum so hoch wie nie zuvor. Danach gab es für Auslandstürken aber noch die Möglichkeit, bis zum Wahltag am Sonntag an den Grenzübergängen, Häfen und Flughäfen der Türkei abzustimmen. In Österreich hatte rund die Hälfte der 100.000 Wahlberechtigten an der Wahl teilgenommen

"Menschen brauchen jetzt Ruhe"

Die Türkische Gemeinde in Deutschland hofft nach der Wahl, dass die Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern nun abnehmen werden. "Seit Jahren dreht sich alles um Politik, die Menschen in der Türkei brauchen Ruhe und ein Ende des Ausnahmezustandes", sagte der Gemeinde-Vorsitzende Gökay Sofuoglu. Auch viele der in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft hätten den Wunsch, nun "zum Alltag zurückzukehren".

Dass Erdogan bei den Türken in Deutschland und Österreich deutlich besser abgeschnitten habe als in der Türkei, sei eine Folge der Art von Arbeitsmigration, wie man sie  ab den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts betrieben habe. Diese Arbeitsmigranten stammten vorwiegend aus einem konservativen Milieu. Menschenrechtsfragen interessierten sie weniger, "für sie ist Erdogan derjenige, der Krankenhäuser, Autobahnen und Einkaufszentren gebaut hat", sagte Sofuoglu.