Der EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hat anlässlich seines Wien-Besuches am Dienstag einen klaren Afrika-Schwerpunkt während der am 1. Juli beginnenden Ratspräsidentschaft Österreichs gefordert. Wenn die EU die Migrationsfrage langfristig lösen wolle, müsse sie in Afrika investieren, forderte Tajani bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Es gehe auch darum, gemeinsam gegen den Klimawandel, Terrorismus und die Hungersnöte in Afrika zu kämpfen. Dazu seien aber natürlich Investitionen in den europäischen Haushalt notwendig, strich der Italiener hervor. Beim Thema EU-Haushalt liegen die Positionen Tajanis und Kurz allerdings weit auseinander - während das EU-Parlament fordert, den Finanzrahmen auf 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen ist Österreich als Nettozahler nicht bereit, mehr als ein Prozent in das EU-Budget einzuzahlen.

EU-Parlamentspräsident Tajani fordert in Wien Afrika-Schwerpunkt

Österreich setzt auf auf den Ausbau von legalen Migrationswegen und Umsiedelungsprogrammen (Resettlement, wiederholte Kurz.

"Europa will Flüchtlinge loswerden"

Der Chef der deutschen Grünen, Robert Habeck, hat von Innenminister Horst Seehofer (CSU) genannte Details aus dessen sogenannten Masterplan zur Asylpolitik erschreckend genannt. "Ich glaube, dass die Lösung, die versucht wird herzustellen, große Lager in Libyen sind. Das hat Seehofer gestern beiläufig fallen gelassen," sagte Habeck am Dienstag im Bayerischen Rundfunk.

"Diese Bemerkung Seehofers hat mich sehr erschrocken", sagte Habeck. Er warf Seehofer vor, diese Lager nicht unter ein Mandat der Vereinten Nationen oder Europäischen Union stellen zu wollen, sondern sie den Libyern zu überlassen. "Das heißt also tatsächlich, dass sich Europa nicht mehr um die Flüchtlinge kümmert, sondern wir überlassen das tatsächlich anderen Ländern."

Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte nach ihrem Gespräch mit Italiens Premier Giuseppe Corte am Montag angedeutet, im Bemühen, Italien in der Flüchtlingsfrage zu unterstützen, gehe es auch darum, inwieweit man das Flüchtlingsproblem bereits in Nordafrika, insbesondere in Libyen, angehen könne. Bei der dortigen Unterbringung etwa müsse man mit Flüchtlingsorganisationen wie dem UNHCR zusammenarbeiten. Möglicherweise könne man schon hier Asylanträge bearbeiten, deutete Merkel an.

Treffen Salvini - Kickl

Italiens Innenminister Matteo Salvini bestätigte: Italien wolle sich um Flüchtlingseinrichtungen in Libyen, Nigeria, in Tunesien und Ägypten einsetzen. Die Regierung werde sich außerdem um ein großes Gipfeltreffen Afrika-EU bemühen. Salvini plant für morgen, Mittwoch, ein Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Herbert Kickl (FPÖ) in Rom. 

Die italienische Regierung will sich indes um stärkere Investitionen in Libyen bemühen, das sich aus Furcht vor einem Sog immer gegen solche Lager gesperrt hatte. Innenminister Matteo Salvini kündigte eine Reise nach Libyen an. Italien wolle verstärkt im nordafrikanischen Land in Straßen, Infrastruktur und Krankenhäuser investieren, sagte Salvini im Interview mit der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" (Montagsausgabe) an.

"Abschiebepolitik an der Außengrenze"

Grünen-Chef Habeck sagte, im Grunde gehe es darum, "eine Abschiebepolitik an der EU-Außengrenze durchzusetzen". Wenn sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sich darauf einlasse, sei von ihrer Politik von vor drei Jahren nichts mehr übrig.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Seehofer auf, seine Pläne öffentlich zu machen. "Dass niemand diesen sogenannten 'Masterplan' kennt, ist ein Skandal", sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

"Ende der Integration"

Kritik an der CSU kam auch vom Koalitionspartner SPD. Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder am Dienstag im ZDF vor, die europäische Integration kippen zu wollen. Der gefährlichste Satz von Söder im unionsinternen Flüchtlingsstreit sei der gewesen vom Ende des "institutionellen Multilateralismus". "Er hat klar gesagt, er sieht das Ende der europäischen Integration", interpretierte der Sozialdemokrat den CSU-Politiker. Ein solcher Weg aber sei "brandgefährlich" für Deutschland und Europa.

Der SPD-Politiker kritisierte das Vorgehen der CSU zudem als Wahlkampfmanöver: "Das einzige Thema, um das es im Moment geht, ist der 14. Oktober, die bayerische Landtagswahl".