Der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Sarajevo, wo dieser am heutigen Sonntagnachmittag auch einen Wahlauftritt abhalten soll, wurde noch kurz vor Beginn von Berichten über einen möglichen Attentatsversuch überschattet. Bosniens Sicherheitsminister Dragan Mektic bestritt am Samstagabend jedoch energisch, irgendwelche Informationen in diese Richtung zu haben.

Die Türkei wird die schon lange geplante Autobahn zwischen Sarajevo und Belgrad finanzieren. Für diesen zentralen Transitweg zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien sei am Sonntag eine Absichtserklärung unterschrieben worden, sagte das muslimische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, am Rande des Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Erdogan will am Nachmittag zu türkischstämmigen Bürgern sprechen, die vor allem aus Deutschland, aber auch aus Österreich, angereist waren. An dem einzigen Wahlkampfauftritt im europäischen Ausland vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. Juni nahmen am Sonntag in und um die Olympische Sporthalle "Zetra" vor allem Anhänger aus Deutschland teil, die dafür mit Bussen angereist waren.

Zahlreiche bosnische Spitzenpolitiker kritisierten den Besuch Erdogans als antieuropäisch, weil Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande Wahlkampfauftritte türkischer Politiker verboten hatten.

Keine Angst

"Das Sicherheitsministerium hat keine entsprechenden Informationen", sagte Mektic gegenüber dem TV-Sender N1. Die Sicherheitslage sei normal. Medien hatten zuvor gemeldet, türkische Nachrichtendienste hätten über einen möglichen Attentatsversuch berichtet. Diese wären an Informationen gelangt, wonach von Personen türkischer Abstammung ein Attentat auf Präsident Erdogan vorbereitet sei, hieß es am Sonntag laut Medien in Sarajevo.

Eine indirekte Bestätigung dieser Information war dem Internetportal Klix.ba zufolge auch vom türkischen Vizepremier Bekir Bozdag gekommen. "Die Attentatsversuche erinnern uns daran, dass unser großer Führer für manche eine Irritation darstellt", kommentierte Bozdrag auf Twitter mit dem Hinweis, dass Erdogan keine Angst vor Morddrohungen habe.

Sarajevo war schon am Samstag mit türkischen Flaggen und Bildern Erdogans geschmückt. Zu dem Wahlauftritt in der Halle der Olympischen Spiele 1984 werden nach Angaben der bosnischen Behörden mehr als 15.000 Personen erwartet. Die Kundgebung wird von der Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD) - sie gilt als Auslandsorganisation der Erdogan-Partei AKP - organisiert.

2000 Personen aus Österreich

Die UETD erwartet nach eigenen Angaben, dass mehr als 10.000 Auslandstürken für Erdogans Ansprache nach Sarajevo reisen, mindestens die Hälfte davon aus Deutschland. Aus Österreich werden nach einem Bericht des "Kurier" bis zu 2000 Personen anreisen. Die Stimmen der Auslandstürken haben bei Wahlen in der Türkei erhebliches Gewicht.

Der Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten in Sarajevo hat unterdessen zu heftigem Streit in Bosnien-Herzegowina geführt. Er habe von der einzigen Wahlveranstaltung Erdogans im europäischen Ausland nur aus den Medien erfahren, sagte das kroatische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, Dragan Covic, dem Zagreber TV-Sender HRT am Sonntag.

Der Besuch füge dem in die EU strebenden kleinen Balkanland großen strategischen Schaden zu. Länder wie Deutschland und die Niederlande hatten Wahlkampf für die am 24. Juni geplanten türkischen Parlaments- und Präsidentenwahlen verboten. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte Wahlkampf-Auftritte für unerwünscht erklärt.

Die Türkei hatte den für Sonntag geplanten Auftritt Erdogans über das muslimische Mitglied im bosnischen Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, organisiert. Izetbegovic, der sich als enger Freund des türkischen Präsidenten bezeichnet, hatte am Vortag die Türkei als Investor und Verbündeten gelobt.

"Seht her, auf dem Balkan kann ich sein!"

Demgegenüber kritisierte der zweitwichtigste Muslimführer Fahrudin Radoncic den Wahlkampf in Sarajevo. Erdogan gehe es um "eine Demonstration für Westeuropa: Seht mal, hier auf dem Balkan kann ich sein". Denn "Herr Erdogan hat nicht so viele Wähler in Sarajevo, dass das für ihn interessant wäre", sagte Radoncic dem TV-Sender N1 weiter.