Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat erneut einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen gefordert, um den Flüchtlingszustrom einzudämmen. "Der wesentlichen Punkt ist, dass die Menschen an der Außengrenze gestoppt werden und die Rettung aus dem Mittelmeer nicht mehr mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist", sagte der ÖVP-Politiker dem deutschen Nachrichtenmagazin "Focus".

"Vor der libyschen Küste wäre es definitiv sinnvoll, wenn Schlepperboote beim Ablegen gehindert würden. Wer illegal nach Europa reist, muss auf Inseln an der Außengrenze versorgt und dann in Zentren sicherer Drittstaaten zurückgeschickt, nicht weiter nach Mitteleuropa gewunken werden", sagte Kurz. Er sprach sich zudem für ein Umsiedlungsprogramm aus, um "Flüchtlinge in einem zahlenmäßig zu bewältigenden Ausmaß" legal in die EU zu bringen.

Auf die Frage, ob Österreich wieder Flüchtlinge nach Deutschland reisen lasse, falls der EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei platze und es keinen gemeinsamen EU-Grenzschutz gebe, antwortete Kurz: "Wir sind definitiv gegen eine Politik des Durchwinkens. Aber wir sind auch nicht bereit zuzusehen, dass in unserem Land eine Überforderung eintritt. Als Notmaßnahme wären nationale Maßnahmen wieder denkbar." Dies sei aber nicht das Europa, in dem er leben wolle.

"Flüchtlingsdeal wird nicht halten"

Bei einem Treffen im Mai war die Stimmung zwischen Außenminister Sebastian Kurz und seinem türkischen Amtskollege Mevlüt Cavusoglu noch gut
Bei einem Treffen im Mai war die Stimmung zwischen Außenminister Sebastian Kurz und seinem türkischen Amtskollege Mevlüt Cavusoglu noch gut © AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

"Der Flüchtlingsdeal wird nicht halten", sagte Kurz in der "ZiB2" am Freitagabend und forderte, die EU müsse hier "ihre Hausaufgaben machen", um "unabhängig und nicht erpressbar" zu werden. Ein Ende der Verhandlungen zwischen Brüssel und Ankara ist für Kurz deshalb "sinnvoll", weil die Türkei sich "in den letzten Jahren immer weiter weg von Europa entwickelt" habe und speziell in den letzten Wochen "eine immer dramatischere Entwicklung" genommen habe. "Jetzt droht das Kartenhaus der verfehlten Flüchtlingspolitik in Europa zusammenzubrechen", sagte der Minister. Man habe diese Aufgabe an die Türkei delegiert und Ankara dafür finanzielle Zuwendungen, eine Visaliberalisierung und die Eröffnung neuer Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen zugesagt. Nun erfülle die Türkei aber nicht die Kriterien für die Visumfreiheit und die Voraussetzungen für die Beitrittsverhandlungen seien nicht gegeben - woraus Kurz ableitet, dass der Flüchtlingsdeal in absehbarer Zeit scheitern wird.

Steinmeier gegen Österreichs Türkei-Position

Außenminister unter sich: Didier Burkhalter, Jean Asselborn, Aurelia Frick, Frank-Walter Steinmeier, Sebastian Kurz (von links)
Außenminister unter sich: Didier Burkhalter, Jean Asselborn, Aurelia Frick, Frank-Walter Steinmeier, Sebastian Kurz (von links) © AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

Keine Zustimmung für seine Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fand Kurz am Freitag in Liechtenstein, wo er mit seinen deutschsprachigen Kollegen zum alljährlichen Treffen zusammenkam. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der Schweizer Ressortchef Didier Burkhalter und auch ihr luxemburgischer Kollege Jean Asselborn sprachen sich dezidiert für einen Dialog mit der Türkei aus. "Ich befürchte, das Problem, vor dem wir hier stehen, ist etwas größer als die Frage, wann, wie und in welcher Geschwindigkeit Beitrittsverhandlungen geführt werden", sagte Steinmeier. Auch Asselborn lehnte einen Stopp ab und verwies darauf, dass dies in der EU auch nicht durchsetzbar sei. Er räumte aber ein, dass "die Türkei derzeit sicher nicht der Rechtsstaat ist, den wir haben wollen." Burkhalter unterstrich ebenfalls, es sei wichtig, mit der Türkei direkt im Gespräch zu bleiben.

Vilimsky: "Keine Beitrittsoption für Ankara"

Der FPÖ-Generalsekretär und Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, fordert klare Worte in Richtung Ankara: "Es wäre nur fair, der Türkei umgehend zu eröffnen, dass es letztlich keine Beitrittsoption geben kann. Dies muss rasch umgesetzt werden", betonte Vilimsky am Samstag in einer Aussendung.

Die Türkei sei "weder kulturell noch geografisch ein Teil Europas", hieß es dort. Sie könne daher auch nie Teil der EU sein. "Gerade die aktuelle autoritäre Entwicklung unterstreicht dies noch mehr."

Bei der EU-Nomenklatura habe "man aber generell zusehends den Eindruck, als würde sie diametral gegen die Interessen der Völker Europas arbeiten und nur noch der Industrie und dem Großkapital im Wort sein", argumentierte Vilimsky: "Während es auf der einen Seite immer offensichtlicher wird, dass die Türkei niemals ein Teil der europäischen Wertegemeinschaft werden kann, halten auf der anderen Seite EU-Kommissionspräsident Juncker oder etwa der deutsche Außenminister Steinmeier unbeirrt an den Beitrittsverhandlungen fest."