Das Finanzministerium hat am Mittwoch die aus einem angeblichen Geheimpapier für die Regierungsklausur, das auch der Kleinen Zeitung vorliegt, zitierten Gesamtkosten zur Versorgung der Asylwerber von 6,5 Milliarden Euro dementiert. Das "Papier ist uns nicht bekannt, wir können die darin kolportierten Summen daher nicht nachvollziehen", stellte das Finanzministerium "im Einvernehmen mit der Regierungsspitze" fest.

Das Finanzministerium verwies in einer Aussendung neuerlich auf die bereits bei der Regierungsklausur vor zweieinhalb Wochen genannten Beträge. Die Bundesregierung habe sich auf eine gemeinsame Vorgangsweise verständigt und in einem ersten Schritt gemeinsam mit den betroffenen Ressorts die Kosten für Flüchtlingswesen und Integration beziffert und im Budget eingestellt.

Im Jahr 2016 handle es sich um die bereits genannten 420 Millionen Euro für die Grundversorgung sowie einen im Finanzministerium angesiedelten "Topf Integration" in Höhe von 75 Millionen Euro. Außerdem wurde mit dem Sozialministerium vereinbart, 70 Millionen Euro für die Eingliederung von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt bereit zu stellen. Festgelegt habe man außerdem, dass darüber hinaus gehende Mehrkosten nach Vorliegen entsprechender Fakten gemeinsam geprüft werden und gegebenenfalls nachjustiert wird, stellte das Finanzministerium fest.

Geheimpapier?

Zuvor hatte das Ö1-Morgenjournal berichtet, dass aus einem Geheimpapier hervorgehe, dass die Kosten zur Bewältigung der Flüchtlingsströme und Versorgung von Asylwerbern von 2016 bis 2019 insgesamt bei 6,5 Milliarden Euro liegen würden. Ausgegangen wird dabei von 85.000 Asylwerbern 2015 und 130.000 Asylwerbern im kommenden Jahr bei je 25.000 positiven Asylbescheiden 2015 und 2016. Rechnet man den Familiennachzug ein, sollen die Kosten laut diesem Papier bis 2019 sogar auf 12,3 Mrd. Euro steigen.

Diese Beträge setzen sich aus den Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern zusammen, die für 2016 mit 640 Millionen Euro und ab 2017 mit einer Milliarde Euro im Jahr angegeben werden. Dazu kommen die Kosten für die Mindestsicherung, die Gesundheitsversorgung sowie Arbeitsmarkt- und Integrationsmaßnahmen, die mit knapp 500 Millionen Euro pro Jahr beziffert werden - und mit gut 1,3 Milliarden Euro pro Jahr, wenn man den Familiennachzug einrechnet.

Bei der Regierungsklausur zum Thema Asyl am 11. September war noch die Rede von knapp 500 Millionen Euro an Gesamtkosten - 420 Millionen für die Grundversorgung und 75 Mio. aus einem Integrationstopf.

Hundstorfers Appell in Brüssel

Bei einem Besuch der Sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament in Brüssel plädierte Österreichs Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) dafür, "anerkannte Flüchtlinge rasch in die Arbeit" zu bringen. "Das ist wichtig für die Integration", erklärte er.

Gleichzeitig warnte Hundstorfer, es dürfe „keinesfalls dazu kommen, dass diese dann weniger verdienen als andere Arbeitnehmer oder schlechteren arbeitsrechtlichen Schutz gewährt bekommen. Wir dürfen keine Zweiklassengesellschaft zulassen.“

Man dürfe aus Solidarität „die vielen Menschen in Europa nicht aus den Augen verlieren, die derzeit arbeitslos sind. Ich appelliere an alle, hier nicht Gruppen gegeneinander auszuspielen und Ängste zu schüren.“

Hundstorfer forderte auch die Bekämpfung aller Formen von Scheinfirmen. Das sei auch der Hauptgrund, warum Österreich dem EU-Richtlinienvorschlag zur Einpersonengesellschaft so kritisch und ablehnend gegenüberstehe, erläuterte er.

Aufstockung

Unterdessen stocken die großen Industrienationen (G7) stocken ihre Hilfen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auf. Bei einem Außenministertreffen am Rande der UNO-Vollversammlung in New York kündigten die G7-Staaten zusammen mit weiteren Ländern Hilfen von insgesamt 1,8 Milliarden Dollar (rund 1,6 Milliarden Euro) an.

Noch mehr Dramatik verhindern

Das Geld soll dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen UNO-Organisationen zur Verfügung gestellt werden, die sich um Flüchtlinge aus Syrien und anderen Konfliktgebieten kümmern. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier betonte im Namen des deutschen G7-Vorsitzes, dass damit aber auch Aufnahmeländer wie die Türkei, Libanon und Jordanien unterstützt würden.

Flüchtlingskind
Flüchtlingskind © APA/EPA/JENS BUETTNER

Steinmeier sagte, die internationale Gemeinschaft habe die "Pflicht dafür zu sorgen, dass nicht noch dramatischere Zustände eintreten". "Wir müssen alles versuchen, dass die Menschen nicht aus purer Not die Nachbarschaft Syriens verlassen. Wir müssen ihnen helfen, in den Regionen zu bleiben und nicht eine weitere Fluchtdynamik in Gang zu setzen."

Bisher hatte die Berliner Regierung nach offiziellen Angaben bereits eine Summe von einer Milliarde Euro zugesagt, davon 500 Millionen für humanitäre Hilfe.

Frankreich will ebenfalls 100 Millionen Euro bereitstellen. Japan hatte zuvor schon angekündigt, zur Bewältigung der Krise im Nahen Osten und zur Flüchtlingshilfe insgesamt annähernd 1,6 Milliarden Dollar (1,43 Milliarden Euro) beizusteuern. Unklar blieb zunächst bei mehreren Ländern, ob es sich tatsächlich um neue Mittel handelt.

Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz der G7 inne. Neben den sieben führenden Industriestaaten und den Golfstaaten hatten auch Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Norwegen und die Türkei an dem Treffen teilgenommen. In einer gemeinsamen Erklärung unterstrichen sie ihren Willen, die Gründe für Flucht und Vertreibung gemeinsam anzugehen.

Finanzbedarf für Syrien 7,4 Milliarden Dollar

Die Vereinten Nationen klagen immer wieder darüber, dass das Geld nicht ausreicht und Zusagen auch nicht eingehalten werden. Für Syrien beziffern UNO-Hilfsorganisationen den diesjährigen Finanzbedarf auf 7,4 Milliarden Dollar. Überwiesen oder versprochen wurden für die Nothilfe innerhalb des Landes bisher nur 37 Prozent. Für Syrer in den Nachbarländern waren bisher 41 Prozent der erbetenen 4,5 Milliarden Dollar finanziert.

Das Welternährungsprogramm (WFP) musste deshalb die Lebensmittelhilfe für 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge in der Region streichen oder dramatisch kürzen. Für 850.000 von ihnen musste das WFP den Wert von Lebensmittelgutscheinen halbieren, im Libanon auf monatlich 13,50 Dollar und in Jordanien auf monatlich 14 Dollar pro Person.