Der ukrainische Verteidigungsminister Waleri Geletej hat die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit Nachdruck zum Aufgeben aufgefordert. Es werde keine neue Feuerpause geben, bevor nicht die "Terroristen" alle ihre Waffen niedergelegt hätten, sagte Geletej nach Angaben ukrainischer Medien am Dienstag in der Konfliktregion. Die Separatisten drohten unterdessen ihrerseits mit Angriffen.
Präsident Petro Poroschenko hatte zuvor bekräftigt, die umkämpften Gebiete Donezk und Lugansk von den Aufständischen befreien zu wollen. Der Staatschef wechselte überraschend den Leiter der umstrittenen "Anti-Terror-Operation" aus, die nun von Wassili Grizak geführt wird. Geplant ist nach offiziellen Angaben, die von Separatisten belagerten Großstädte Donezk und Luhansk mit einer Blockade zu belegen.
Die Separatisten drohten unterdessen ihrerseits mit Angriffen. "Wir bereiten uns nicht auf eine Belagerung vor, wir bereiten uns darauf vor zu handeln", sagte Alexander Borodaj am Dienstag dem russischen Online-Portal Gazeta.ru in Moskau. Der Rückzug aus Slawjansk habe es den Rebellen ermöglicht, ihre Kräfte zu bündeln. Eine Blockade von Donezk und Luhansk durch die Armee sei unmöglich.
Poroschenko habe ihm versprochen, Donezk nicht zu bombardieren, sagte der Bürgermeister der Millionenmetropole, Alexander Lukjantschenko. "Die Armee hat andere Orte mit Luftschlägen und schwerem Artilleriebeschuss von Separatisten befreit. In unserer dicht besiedelten Stadt würde dies zu einer Katastrophe führen", sagte Lukjantschenko. Donezk ist die fünftgrößte Stadt der Ukraine mit modernem Zentrum. 2012 war sie ein Austragungsort der Fußball-EM.
Die prorussischen Aufständischen in Luhansk teilten mit, einen Kampfjet des Typs Suchoi Su-25 erbeutet sowie ein Flugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 und mehrere Panzerfahrzeuge der Regierungstruppen zerstört zu haben. Nach Behördenangaben wurde in Luhansk ein Fahrzeug mit Zivilisten von Geschossen getroffen. Dabei starben mindestens zwei Menschen, vier weitere wurden verletzt.
Poroschenko besuchte indes die von der Armee zurückeroberte Stadt Slawjansk. Nach dem Abzug der prorussischen Separatisten unternehme der Staat alles zur Wiederherstellung der Energieversorgung in dem Ort, sagte Poroschenko am Dienstag bei einem Treffen mit Bürgern.
Der ukrainische Präsident unterstrich während des unangekündigten Besuchs, er sei zum Dialog mit jenen Aufständischen bereit, "die noch heute die Waffen niederlegen und Amnestie in Anspruch nehmen". Der Präsident zeichnete auch mehrere Soldaten mit Orden aus.
"Ich hoffe, schon bald ebenfalls Donezk und Luhansk zu besuchen", sagte der Präsident einer Mitteilung zufolge. Die beiden Großstädte gelten als Hochburgen der militanten Gruppen. Die Armee versucht, mit einer Belagerung die Aufständischen zur Kapitulation zu zwingen.
Auch außerhalb der beiden Separatistenhochburgen bleibt die Lage in der Ostukraine gespannt. Nachdem zuletzt das Militär Erfolge feiern konnte, eroberten erstmals wieder die Aufständischen einen Ort in der krisengeschüttelten Region. Etwa 100 Kämpfer hätten in der Nacht die Gemeinde Popasnaja besetzt, teilten lokale Medien mit.
Verteidigungsminister Geletej bestätigte, dass die Aufständischen weiter aktiv seien. Zahlreiche Regierungskräfte seien in befreiten Orten wie Slawjansk und Kramatorsk gebunden, da Spezialisten verminte Gebäude und Straßen säubern müssten. "In 24-Stunden-Schicht arbeiten wir daran, diese Geschoße unschädlich zu machen", sagte Geletej.
EU-Kommissar Stefan Füle teilte unterdessen mit, dass die finanziell angeschlagene Ukraine nur mit weiteren EU-Hilfen rechnen könne, wenn sie ihre Reformpolitik vorantreibe. "Wir ermutigen die Regierung, weitere Schritte zur Verfassungsreform, zur Dezentralisierung und zur Reform des Justizsystems zu unternehmen", sagte Füle in Brüssel bei einer Koordinierungskonferenz internationaler Geldgeber. Er mahnte vor allem den Kampf gegen Korruption und den Schutz der Rechte der russischsprachigen Minderheit an. Der ukrainische Vizeregierungschef Wladimir Groisman erbat in Brüssel Hilfe für die Grenzsicherung.
US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege Francois Hollande forderten Kremlchef Wladimir Putin zu mehr Druck auf die Separatisten in der Ukraine auf, um diese zum Dialog mit Kiew zu bewegen. Das besprachen Obama und Hollande nach Elysee-Angaben in einem Telefongespräch. Der Westen hatte Moskau immer wieder mit Sanktionen gedroht, sollte Russland nicht mehr zur Deeskalation in der benachbarten Ex-Sowjetrepublik beitragen.