Die britische Regierung hat eine sorgfältige Prüfung des Vorwurfs angekündigt, dass Politiker in den 1970er und 1980er-Jahren einen Pädophilenring unterhalten haben sollen. "Wir werden jeden Stein umdrehen, um die Wahrheit über das herauszufinden, was geschehen ist", versprach Premierminister David Cameron am Montag. Erwartet wird nun, dass seine Regierung unabhängige Ermittlungen einleitet.

Die Beschuldigungen gründen auf ein 31 Jahre altes Dossier des inzwischen verstorbenen Abgeordneten Geoffrey Dickens, das angeblich Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch durch mehrere Parlamentarier und andere Prominente enthielt. Der Bericht wurde an das Innenministerium ausgehändigt, verschwand später aber - und tauchte bis heute nicht wieder auf. Das Ministerium hatte zwischen 1979 und 1999 nach eigenen Angaben mehr als hundert Datensätze zu Missbrauchsvorwürfen erhalten, die inzwischen "vermutlich zerstört, verschollen oder unauffindbar" seien.

Der immer noch verschwundene Dickens-Bericht war im Zuge des Missbrauchsskandals um den früheren BBC-Moderator Jimmy Savile und andere Figuren des öffentlichen Lebens wieder ins Bewusstsein der Briten gerückt. Infolge der Aufsehen erregenden Medienberichte unterstützten bis Montagmittag mehr als 70.000 Unterzeichner eine Petition, in der eine unabhängige nationale Ermittlung gefordert wird.

Norman Tebbit, der in den 1980er-Jahren diverse Kabinettsposten unter Premierministerin Margaret Thatcher innehatte, hatte am Sonntag angedeutet, dass seinerzeit möglicherweise ein Skandal vertuscht wurde. "Damals waren nach meiner Einschätzung die meisten Leute überzeugt davon, dass das Establishment, das System, geschützt werden müsste", sagte Tebbit der BBC. "Und dass es, wenn hier und dort ein paar Dinge schief gelaufen wären, wichtiger gewesen wäre, das System zu bewahren als es allzu tief zu durchdringen."