Ein "sehr gelungenes Konzept" ortete Justizministerin Alma Zadić in dem von einer 26-köpfigen Arbeitsgruppe eineinhalb Jahre lang für sie ausgearbeiteten Modell einer unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft. Die Ministerin war von den Ideen der Expertinnen und Experten so begeistert, dass ihr Ressort bereits einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten lässt.

Doch der ÖVP geht das zu schnell: Schon in der Früh richtete Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ihrer Regierungskollegin im Ö1-Morgenjournal aus, einem "demokratiefreien Raum" nicht zustimmen zu werden. Der öffentliche Schlagabtausch erinnert an längst verdrängte Zeiten großer rot-schwarzer Koalitionen, in denen Ideen und Vorschläge des Koalitionspartners mit großer Freude vom Gegenüber in Medien zu Grabe getragen wurden.

Entpolitisierte Staatsanwaltschaft

Darüber, dass es grundsätzlich eine Reform der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften bedarf, besteht Einigkeit. Immerhin hat aktuell die Justizministerin das letzte Wort über die Strafverfolgungsbehörden der Justiz. Per Weisung kann sie Verfahren in die Länge ziehen, Anklagen verzögern - oder Ermittlungen ganz abdrehen. Um diese Möglichkeit der politischen Einflussnahme zu beenden, sollte eine unabhängige Weisungsspitze her.

Die Arbeitsgruppe der Justizministerin empfahl, diese gänzlich unabhängig von der Politik zu machen: Wechselnde, aus der Justiz bestellte, Dreiersenate sollten im Zufallsprinzip offene Fragen zugeteilt bekommen und dann entsprechende Weisungen (zum Beispiel: Ermittlungen fortführen, einstellen oder anklagen) geben.

Darüber sollte ein Generalstaatsanwalt oder eine Generalstaatsanwältin stehen. Ein Personalsenat ähnlich jenem für Richterinnen und Richter sollte für dieses Amt drei Personen vorgeschlagen, die Justizministerin eine auswählen und der Bundespräsident die Entscheidung annehmen oder ablehnen. Das Parlament sollte aus Sicht der Experten explizit herausgehalten werden, um jegliche politische Färbung auszuschließen.

Nur ein Teil eines Pakets

Für Verfassungsministerin Edtstadler stellt das aber eine rote Linie dar. Es brauche eine parlamentarische Kontrolle bei der Bestellung der neuen Spitze, erklärte sie am Freitag gegenüber Medien. Anderes wäre "nicht verhandelbar". Die Staatsanwaltschaften seien dem Volk verpflichtet und bräuchten daher auch die Kontrolle der gewählten Volksvertreter im Nationalrat, so die Verfassungsministerin, die das von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Modell nur als eines von vielen sieht.

Für Edtstadler ist die unabhängige Weisungsspitze außerdem nur ein Teil eines Gesamtpakets - und beruft sich dabei auf den gemeinsamen Ministerratsvortrag aus dem März 2021: In einer umfangreichen Justizreform sollen demnach auch Beschuldigtenrechte gestärkt und Verfahrensdauern verkürzt werden. Zusätzlich soll sichergestellt werden, dass Beschuldigte bei Einstellung von Ermittlungen einen entsprechenden Kostenersatz erhalten, damit sie nicht durch Anwaltskosten in den Ruin getrieben werden.

Hürde um Hürde

Auch in diesen Punkten gibt es zwar eine grundsätzliche Einigkeit der Koalition, sie anzugehen. Ob und wie ist aber offen. So pocht etwa die ÖVP seit Monaten darauf, größere Hürden für die Auswertung von Handys zu schaffen. Das könnte aber dauern, denn, so Edtstadler: "Wir müssen die politische Diskussion erst führen".

Zusätzlich braucht es etwa für die Schaffung einer unabhängigen Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften eine Zweidrittelmehrheit. Selbst wenn sich ÖVP und Grüne einigen können, brauchen sie danach folglich noch die Zustimmung von SPÖ oder FPÖ. Beide Parteien könnten dabei auf die Idee kommen, auf andere Teile des breiten Pakets Einfluss nehmen zu wollen.

Es müssten rasch mehrere große Schritte gesetzt werden, um eine der größten Justizreformen der letzten Jahre noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Gelingt das nicht, könnte die Generalstaatsanwaltschaft in aller Öffentlichkeit zu Grabe getragen worden sein.

Kritik kam bereits von der SPÖ. Die ÖVP blockiere seit 20 Jahren eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft, beklagte Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung. Die Diskussion sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen nichts mehr weiterbringe.