Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer fordert die österreichische Bundesregierung auf, es anderen europäischen Ländern gleichzutun und Abschiebungen nach Afghanistan "so lange auszusetzen, bis sich die Situation in Afghanistan geklärt hat". Das sagte der Grazer im Ö1-Morgenjournal. Er habe aber wenig Hoffnung auf eine rasche Besserung der Situation. In Afghanistan hätten sich schon die stärksten Armeen der Welt die Zähne ausgebissen.

Grundsätzlich habe sich an der Linie des Innenministeriums dazu "keine Änderung ergeben", teilte das Ressort auf Anfrage der APA am Freitag mit. Offen ließ das Innenministerium die Frage, ob Österreich auch dann bei seiner Haltung bleiben würde, wenn die Hauptstadt Kabul in die Hände der Taliban fallen sollte, wie das von Beobachtern erwartet wird. 

Abschiebungen "faktisch nicht möglich"

Zur Entscheidung Deutschlands und anderer europäischer Staaten, derzeit nicht mehr nach Afghanistan abzuschieben hielt, das Innenministerium in Wien fest, dass Deutschland die Abschiebungen nicht generell gestoppt, sondern nur temporär ausgesetzt habe. Und weiter stellt das Ressort Karl Nehammers fest: "Jeder Staat entscheidet hier für sich."

Im Gegensatz dazu hatte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Donnerstagabend betont, dass es derzeit keine Abschiebungen nach Afghanistan gebe. "Rechtlich werden die Einzelfallprüfungen dazu führen, dass dies nicht mehr in Frage kommt. Es ist faktisch nicht möglich, weil es für die Flieger gar keine Landeerlaubnis in Afghanistan gibt", hatte Kogler auf "oe24.TV" erklärt.

"Hölle auf Erden"

Das Österreichische Rote Kreuz verfüge über beste Informationen aus dem Krisenstaat durch seine Partnerorganisationen, viele Helfer des Roten Kreuzes bzw. des Roten Halbmonds seien dort eingesetzt. "Rotkreuz-Vertreter sagen übereinstimmend, es ist die Hölle auf Erden für Zivilisten. Die Situation ist grauenhaft", berichtete Schöpfer. Es wäre nicht human, dort Menschen hinzuschicken.

Schöpfer erinnerte die Bundesregierung an Abkommen und Konventionen, der Österreich im Lauf der letzten Jahre und Jahrzehnte beigetreten sei. "Man hat das in Schönwetterzeiten unterschrieben. Jetzt sind aber stürmische Zeiten." Er wünsche sich Politiker mit aufrechtem Gang, so der ehemalige steirische ÖVP-Landesrat. Die Linie des Roten Kreuzes sei jedenfalls einheitlich und stelle humanitären Gesichtspunkte an erster Stelle. Demnach seien Abschiebungen nach Afghanistan nicht vertretbar.