Ohne Politiker zu benennen, hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Facebook-Botschaft die Verantwortlichen in der Republik dazu aufgefordert, die Institutionen des Landes ernst zu nehmen und nicht ins Lächerliche zu ziehen. Gleichzeitig warnte er im Zusammenhang mit den Turbulenzen um den Kanzler vor einer Vorverurteilung. „Für uns alle gilt die Unschuldsvermutung, auch für Politikerinnen und Politiker.“ Um die Herausforderungen der nächsten Monate zu meistern, brauche es zuvor eine „Abrüstung der Worte.“ 

Zum Auftakt seiner kurzen Facebook-Ansprache aus den Räumlichkeiten der Hofburg meinte Van der Bellen: „Wenn die Stimmung aufgewühlt ist und Emotionen im Spiel sind, ist es meistens richtig, tief durchzuatmen und Abstand zu gewinnen.“ Es sei die Verfassung, die den Rechtsstaat und die Verfassung schütze.  Die Institutionen des Landes müssten ihre Arbeit „ungestört und in Ruhe verrichten“ können. „Sie sind das Immunsystem unseres Staates, und wir dürfen nicht dulden, dass dieses geschwächt wird.“

So sei es „entbehrlich, den Untersuchungsausschuss lächerlich“ zu machen. „Das ist bloße Polemik und trägt nichts zur Klärung eines Sachverhaltes bei.“ So hatte etwa ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger den U-Ausschuss als „Löwinger-Bühne“ abgekanzelt, andere ÖVP-Politiker sprachen von einem „politischen Tribunal.“ Van der Bellen rief allerdings auch die Opposition dazu auf, „im Umgang mit dem Gegenüber und auch im Tonfall respektvoll“ zu sein.  

Rüffel für Blümel

Einen Rüffel handelte sich Finanzminister Gernot Blümel ein, der erst nach einem Machtwort des Bundespräsidenten zur Aktenlieferung bereit war: „Einen Auftrag des Verfassungsgerichtshofes erst zu befolgen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, ist entbehrlich. Jeder Versuch, die Arbeit des Untersuchungsausschusses künstlich zu erschweren, ist entbehrlich. Denn es würde zeigen, dass man diese Institutionen nicht ernst nimmt.“  

Unschuldsvermutung auch für den Kanzler

Zu Spekulationen, die Justiz könnte Anklage gegen den Kanzler erheben, meinte Van der Bellen generell: „Wir alle haben uns an die Gesetze zu halten. Wir alle sind vor diesen Gesetzen gleich. Auch Politikerinnern und Politiker. Genauso gilt auch die Unschuldsvermutung für uns alle. Auch für Politikerinnen und Politiker. Ein Mensch, der nicht verurteilt ist, hat als unschuldig zu gelten.“ Das sei ein fundamentales Menschenrecht, das auch ausdrücklich in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sei.  

Van der Bellen mahnt Gesprächsfähigkeit ein

Neben den nackten Paragrafen gebe es auch noch den politischen Anstand. „Anstand ist eine Kombination aus moralischer Überzeugung und ordentlichen Umgangsformen, der wir freiwillig nachkommen sollten.“ Alle Verantwortlichen in Regierung und Opposition sollten „ihr eigenes Gewissen erforschen. Er wünsche sich „mehr Respekt und Höflichkeit im Umgang miteinander“, auch weil Österreich vor großen Aufgaben stehe. „Um diese zu meistern, braucht es Dialog- und Gesprächsfähigkeit von allen Seiten und zuvor eine Abrüstung der Worte.“

"Um Gesamtwohl und Zusammenhang bemüht"

Er sehe es als seine Aufgabe als Bundespräsident an, „das Gesamtwohl des Staates im Blick zu behalten, mich um den Zusammenhalt, um das Gemeinsame, das Verbindende in unserer Heimat zu kümmern, auf Vernunft und Bedachtsamkeit zu setzen, und dabei ein wachsames Auge auf die Grundfesten unserer Republik zu haben: die Verfassung und die staatlichen Institutionen.“

Beginnendes Ende der Pandemie

Österreich stehe „hoffentlich vor dem beginnenden Ende der Pandemie.“ Man sollte sich „bewusstmachen, was  wir alle gemeinsam in den vergangenen Monaten geschafft haben.“