Nach einer turbulenten innenpolitischen Woche trafen die Fraktionsvorsitzenden der Parteien im Ibiza-U-Ausschuss am Sonntagabend in der ORF-Diskussionsrunde „Im Zentrum“ aufeinander. ÖVP-Vertreter Andreas Hanger machte dabei weiter, wo seine Partei nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz begonnen hatte. „Die vereinigte Opposition hat ein Ziel: ‚Kurz muss weg‘. Jede Methode, jedes Instrument ist Ihnen recht“, sagt Hanger. Er habe aber nach wie vor Vertrauen in den Rechtsstaat. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu einer Anklage kommt“, betont der ÖVP-Mandatar.

Für Kai Jan Krainer (SPÖ), der mit einer Anklage gegen den Kanzler rechnet, ist hingegen klar, was in diesem Fall passieren muss. „Bei Anklage muss ein Regierungsmitglied zurücktreten. Das war der Konsens und die rote Linie in der ganzen 2. Republik“, sagt Krainer. Stephanie Krisper (Neos) fordert ebenfalls einen Rücktritt des Kanzlers, sollte es zu einer Anklage kommen. Sie kritisiert, dass die ÖVP „seit einem Jahr eine chronische Diffamierungskampagne gegen die Justiz gefahren“ habe.

Christian Hafenecker (FPÖ) verzichtet auf eine konkrete Rücktrittsaufforderung in Richtung Kurz, kann sich aber die „Bestellung einer Expertenregierung“ vorstellen. Die Kritik an der Kanzlerpartei fällt heftig aus. „Die Hälfte der Regierung ist beschuldigt, die andere Hälfte sind Dilettanten“, sagt Hafenecker. „Bei der ÖVP riecht es gewaltig nach Korruption.“

"Ich bin nicht die Erziehungsberechtigte des Kanzlers"

Kritik an der ÖVP kommt auch vom Koalitionspartner. „Die Grenze in der Politik ist nicht das Strafrecht. Da gibt es ganz viel, was davor ist“, sagt Nina Tomaselli (Grüne). Ob Kurz zurücktreten soll? „Ich bin nicht die Erziehungsberechtigte des Bundeskanzlers.“ Über einen möglichen Rücktritt wolle sie nicht spekulieren. Tomaselli betont, dass die Justiz „unbehelligt und ohne Zwischenrufe arbeiten“ könne. „Sie scheut auch nicht zurück, gegen Wohlhabende und Mächtige vorzugehen.“

Diskutiert wird auch darüber, wie es mit dem U-Ausschuss weitergehen soll. „War die türkis-blaue Bundesregierung käuflich? Ja, das war sie“, fasst Krainer seine Sicht der Dinge zusammen. Dass man nach über einem Jahr noch immer auf Akten und Unterlagen warten müssen, sei untragbar. Hanger will an der Wahrheitspflicht im U-Ausschuss, im Gegensatz zu manchen seiner Parteifreunde, festhalten. Zufrieden mit den Abläufen im Ausschuss ist er aber nicht. „Es gibt keinen Erkenntnisgewinn. Ziel der Opposition ist einzig, dass sich Auskunftspersonen in Widersprüche verheddern.“ In einer Pressekonferenz am Montag will er Vorwürfe gegen Krisper, wegen des vermeintlichen Treffens mit einer Auskunftsperson, präsentieren.

"Die ÖVP blockiert die Aufklärungsarbeit"

Die Neos-Abgeordnete bezeichnet den Umgang der ÖVP mit dem U-Ausschuss als „Respektlosigkeit. Die türkise Familie tut alles, um sich zu schützen und gefährdet die Demokratie.“ Finanzminister Blümel habe „Unterlagen erst geliefert, als der Bundespräsident vor der Tür stand“. Sie fordert Live-Übertragungen aus dem U-Ausschuss.

„Ich glaube nicht, dass die ÖVP ein glaubhafter Reformantreiber ist“, sagt Tomaselli. Sie spricht von „seriösen Befragungen im U-Ausschuss“ und „funktionierenden Kontrollinstitutionen“. Und Hafenecker kritisiert: „Die ÖVP blockiert die Aufklärungsarbeit.“ Im Gegensatz zur ÖVP habe die FPÖ nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos Konsequenzen gezogen: „Strache und Gudenus sind zurückgetreten. Die Führungsriege der ÖVP ist noch immer im Amt.“