Nach seinem Gespräch mit dem russischen Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinski, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärt, man befinde sich "auf den letzten Metern und eine Bestellung von Sputnik kann wahrscheinlich schon nächste Woche erfolgen." Er sei sehr froh über die verbindliche Lieferzusage, da eine "sehr zeitnahe Lieferung" hier somit möglich wäre, so Kurz. Derzeit sei man nach bereits wochenlangen Gesprächen noch in der Detailabstimmung, sagte der Bundeskanzler.

"Wenn wir Sputnik bestellen, dann werden wir noch im April 300.000 Dosen, im Mai 500.000 Dosen und 200.000 Dosen Anfang Juni erhalten", so Kurz. Es sei ein Datenraum eingerichtet worden und derzeit würden Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Gesundheitsministerium und der Finanzprokuratur mit der russischen Seite laufen, erklärte der Kanzler. Eine Kaufentscheidung sei noch nicht getroffen worden, hatte es am Dienstag aus dem Bundeskanzleramt geheißen. Und auch am Mittwoch sei nicht mit einer Entscheidung zu rechnen, sagte ein Sprecher.

Sputnik in 60 Ländern zugelassen 

Bisher ist Sputnik V laut russischen Angaben in 60 Ländern zugelassen, nicht aber in der EU. Kurz hatte immer erklärt, dass die Voraussetzung für eine Lieferung nach Österreich eine EU-Zulassung des russischen Impfstoffes sei. Am Dienstag räumte der Kanzler ein, dass es beim Impfstoff "keine geopolitischen Scheuklappen geben" dürfe. Die Leiterin des nationalen Impfgremiums, Ursula Wiedermann-Schmidt, äußerte sich am Dienstagabend eher skeptisch zu einer rein nationalen Zulassung.

Impfstoffverteilung in der EU

In Brüssel berieten unterdessen am Mittwoch die EU-Botschafter über die weitere Verteilung von Corona-Impfstoffen, nachdem sich einige Staaten darüber beschwert hatten, ins Hintertreffen geraten zu sein. Der portugiesische EU-Vorsitz schlug vor, insgesamt drei Millionen von zehn Millionen vorgezogenen BioNtech/Pfizer-Dosen für einen Solidaritäts-Ausgleich zugunsten der bei der Impfstoffverteilung zurückgefallenen EU-Staaten zu nutzen - Österreich bekäme keine Extra-Vakzine. Die Sitzung der Botschafter wurde auf Donnerstag vertagt.

Mehrheit der Österreicher für Sputnik

69 Prozent der Österreicher sprechen sich laut einer Umfrage für einen Ankauf des russischen Corona-Impfstoffes Sputnik V aus. 57 Prozent der Befragten könnten sich auch vorstellen, sich selbst mit dem in der EU noch nicht zugelassenen Impfstoff impfen zu lassen, wie aus der Online-Befragung des Meinungsforschungs-Unternehmens research affairs hervorgeht. Der Zuspruch unter Männern ist dabei höher als unter Frauen, so das Institut.

Männer und ältere Menschen sprechen sich laut der Umfrage tendenziell stärker für den Ankauf von Sputnik V in Österreich aus. Rund 74 Prozent der befragten Männer, aber nur 64 Prozent der befragten Frauen, antworteten auf die Frage "Soll Österreich den Impfstoff Sputnik V zukaufen, um die Impfungen in Österreich zu beschleunigen?" mit Ja. Personen ab 60 Jahren (80 Prozent) befürworten den Ankauf stärker. Auch was die eigene Impfung betrifft, zeigten sich Männer und über 60-Jährige Sputnik V gegenüber offener. Besonders skeptisch sind laut Umfrage 30 bis 39-Jährige.

Mit Sputnik-V haben russische Wissenschafter im vergangenen Jahr einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, der nach bisherigem Wissen ähnlich wirksam wie westliche Produkte sein dürfte. Sputnik-V ist aber mehr als ein bloßes Vakzin. Es fungiert auch als außenpolitisches Werkzeug des Kreml, der auf eine intensive und teils aggressive Vermarktung dieser russischen Errungenschaft im Ausland setzt.

Nicht nur staatlich kontrollierte Medien in Russland vermitteln derzeit den Eindruck, dass Sputnik-V in erster Linie das Ausland interessiert. Die überwältigende Mehrzahl an Meldungen beschäftigt sich damit, welcher weiterer Staat gerade eine Notfallzulassung beschlossen hat, wohin Russland den Impfstoff liefert, wo er im Ausland produziert werden könnte und wo - wie am Dienstag in Österreich - gerade verstärktes Interesse bekundet wurde.

Eigene Bevölkerung nicht im Fokus

Von einer großangelegten und wirksamen Kampagne, die die russische Bevölkerung motivieren würde, sich selbst impfen zu lassen, kann indes keine Rede sein. In einer Anfang März veröffentlichten Meinungsumfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums erklärten 62 Prozent der Befragten, sich nicht mit Sputnik-V impfen lassen zu wollen und begründeten dies insbesondere mit der Angst vor Nebenwirkungen.

Obwohl die Anzahl der potenziellen Impfverweigerer laut Lewada-Zentrum zuletzt sogar angewachsen war, setzte auch der russische Präsident Wladimir Putin diesem Trend nur wenig entgegen. Als er sich am 23. März impfen ließ, tat er dies ostentativ unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vermied damit eine mediale Inszenierung, die der Bevölkerung nahegelegt hätte, es ihm nachzutun.

Laut aktuellen russischen Medienberichten von Ende vergangener Woche waren lediglich in etwa 4 Prozent der Bevölkerung geimpft. Demnach waren es sechs Millionen Russen, davon hatten mehr als vier Millionen die zwei erforderlichen Impfdosen erhalten. Experten sprachen gleichzeitig von der Notwendigkeit, 60 bis 70 Millionen Menschen im Land zu impfen.

Kampagne im Ausland

Anders als in Russland selbst setzt der Kreml im Ausland auf eine intensive Kampagne, für die formal der Russische Fonds für Direktinvestitionen (RFPI) verantwortlich. Diese staatliche Gesellschaft wird von Kirill Dmitrijew geleitet, der bereits in den letzten Jahren für außenpolitische Spezialaufträge des Kreml etwa in den USA und Saudiarabien verantwortlich war. Unabhängige russische Medien sahen Dmitrijew zuletzt nahezu als Teil der Familie des russischen Präsidenten: Seine Frau Natalja Popowa ist Stellvertreterin von Putins angeblicher Tochter Katerina Tichonowa in einer Moskauer Stiftung, die sich mit wissenschaftlicher Innovation beschäftigt.

Im Zusammenhang mit der Vermarktung von Sputnik-V traf Dmitrijew auch hochrangige ausländische Politiker. Am 5. März führte er etwa in Wien Gespräche mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die zwischenzeitlich zum russischen Angebot führten, eine Million Impfdosen Sputnik-V von April bis Juni 2021 nach Österreich zu liefern.

Aggressives Marketing

Russland hat Impfstoffe öffentlichkeitswirksam bereits an mehr als 20 Staaten geliefert, die Rede derzeit ist auch von Zulassungen in knapp 60 Staaten. Um die große internationale Nachfrage befriedigen zu können, müssen freilich noch Produktionskapazitäten insbesondere im Ausland geschaffen werden. Auch daran wird derzeit intensiv gearbeitet. "Die sind extrem aggressiv und waren auch bei uns", beschrieb vergangene Woche Boehringer Ingelheim-Chef Philipp von Lattorff einen         diesbezüglichen Besuch aus Russland.

Dmitrijews Fonds ist aber insbesondere auch für den ausschließlich in englischer Sprache betriebenen Sputnik-V-Twitteraccount verantwortlich, der am Dienstag die Veröffentlichung seiner 1.000 Kurzmeldung feierte. @sputnikvaccine äußert sich auch politisch gegenüber ausländischen Politikern und Beamten. Als sich etwa Anfang März die AGES-Abteilungsleiterin Christa Wirthumer-Hoche, die als Vertreterin Österreichs Vorsitzende des EMA-Verwaltungsrats amtiert, zurückhaltend über Notfallzulassungen von Sputnik-V in einzelnen EU-Staaten äußerte, wurde sie von russischer Seite heftig kritisiert.

Notfallzulassung?

Die Frage von Notfallzulassungen könnte jedenfalls in den nächsten Wochen auch in Österreich relevant werden. Sollte die Regierung ein russisches Angebot annehmen, würde eine erste Lieferung von Sputnik-V im April höchstwahrscheinlich noch vor einer Zulassung des russischen Impfstoffs durch die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erfolgen. Letztere prüft bekanntlich seit Anfang März und plant für Mitte April eine Inspektion der russischen Produktionsstätten. Bis zu einer EMA-Zulassung für die gesamte EU dürfte es laut Medienberichten jedoch noch einige Monate dauern. Derzeit wird Sputnik-V innerhalb der EU bereits im Rahmen von Alleingängen verimpft, nämlich in Ungarn und der Slowakei.