Heute beginnt eine Woche des Durchatmens und Abwartens. Am 15. März werden die aktuellen Corona-Infektionszahlen evaluiert. Danach fällt die Entscheidung, ob, wie vorgesehen, am 27. März die Schanigärten öffnen können.

In Schwaz endet die Anmeldefrist für die Sonderimpfung. In Hermagor starten Ausreisekontrollen, dort wünscht man sich ebenso ein Sonderkontingent für das Durchimpfen der Bevölkerung. Und in Vorarlberg wird das Ausmaß der Lockerungen fixiert.

Die Stimmung in Österreich ist im Keller. Das war nicht nur bei den Demonstrationen des Wochenendes zu spüren. Viele Österreicher finden die Corona-Maßnahmen "zu extrem" und "nicht effizient". Das Vertrauen in die Bundesregierung schwindet. 

Seit einem Jahr hat die Uni Wien mit dem Corona Panel das Ohr an der österreischischen Bevölkerung. Die Umfragen sind ein Seismograph, der auch die Verantwortlichen in der Politik nicht unberührt lassen kann. Die Ergebnisse sind hier nachzulesen. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Sylvia Kritzinger, die das Panel federführend begleitet.

Rund 1.500 Menschen verteilt über ganz Österreich werden seit einem Jahr kontinuierlich dazu befragt, was sie über die Auswirkungen der Corona-Pandemie denken. Sie bereiten gerade die nächste Befragungswelle vor: Was interessiert Sie da am meisten?

SYLVIA KRITZINGER: Wir stellen die immer gleichen Fragen, auch um Veränderungen zu sehen: Welche Maßnahmen werden wie angenommen, wie es ist um das Vertrauen in die Regierung bestellt, wovor haben die Menschen Angst? Eine neue, aktuelle Frage wird sein, wie hoch die Ansteckungsgefahr im privaten Bereich bewertet wird, eine Reaktion darauf, dass sich die Leute derzeit privat offenbar öfter sehen als sie sollten.

Umfrage vom 8. Februar 2021: Der Mehrheit ist bewusst, dass das Coronavirus gefährlicher ist als die normale Grippe. Dennoch gibt es etwa 16 Prozent, die dem nicht zustimmen. Mit nur 36 Prozent findet die Aussage bei den WählerInnen der FPÖ am wenigsten Zustimmung. In Wien stimmen fast 70 Prozent der Bevölkerung zu, in Kärnten nur gut 50 Prozent. Befragte, die das Coronavirus nicht als gefährlicher einschätzen, sind weniger gewillt ihre Lebensweise anzupassen, um die Pandemie einzudämmen.
Umfrage vom 8. Februar 2021: Der Mehrheit ist bewusst, dass das Coronavirus gefährlicher ist als die normale Grippe. Dennoch gibt es etwa 16 Prozent, die dem nicht zustimmen. Mit nur 36 Prozent findet die Aussage bei den WählerInnen der FPÖ am wenigsten Zustimmung. In Wien stimmen fast 70 Prozent der Bevölkerung zu, in Kärnten nur gut 50 Prozent. Befragte, die das Coronavirus nicht als gefährlicher einschätzen, sind weniger gewillt ihre Lebensweise anzupassen, um die Pandemie einzudämmen. © Corona Panel Uni Wien

Es ist in diesen Tagen oft die Rede von einer "Ermüdung" der Bevölkerung, von einem steigenden Unwillen, die Vorsichtsmaßnahmen mitzutragen. Wie schlägt sich das in Ihren Umfragen nieder?

Eine unserer Fragen bezieht sich darauf, ob die Befragten die verhängten Maßnahmen für angemessen halten. Seit dem Herbst tut sich da eine enorme Polarisierung auf. Rund ein Drittel hält die Maßnahmen derzeit für zu extrem und nicht angemessen. Umgekehrt sagen heute rund 30 Prozent, die Maßnahmen sind nicht ausreichend. Im März vergangenen Jahres standen jedenfalls noch 70 Prozent hinter den Maßnahmen, das zeigt schon eine Ermüdung, gekoppelt mit dem Umstand, dass nur noch 16 Prozent der Befragten die Maßnahmen heute als effektiv erachten. Irgendwie versteht man das ja auch: Jetzt haben wir seit einem Jahr die Pandemie, wir sollen uns an alles Mögliche halten, aber es wird nicht besser.

Die Menschen wollen einfach wieder raus?

Ja, das spiegelt sich auch in der Frage, welche Ansichten sie bei anderen vermuten, nämlich dass die sich auch nicht mehr an die Maßnahmen halten, sich wünschen, dass die Lokale wieder aufsperren, sie ohne Einschränkungen wieder andere Menschen treffen dürfen. Wenn man glaubt, dass "die anderen" sich das wünschen, hat man auch das Gefühl, dass es gerechtfertigt ist, dass man das selber gerne hätte.

Umfrage von 29.1.2021: Die Einsamkeitswahrnehmung steigt seit Oktober 2020 wieder an und befindet sich derzeit etwa auf dem Niveau von Ende April 2020. Insgesamt fühlen sich Frauen häufiger einsam als Männer. Auch alleine lebende Menschen berichten von größerer Einsamkeit.  Junge Befragte weisen höhere Einsamkeitswerte auf als ältere; diese Entwicklung verstärkte sich seit November 2020 nochmals.
Umfrage von 29.1.2021: Die Einsamkeitswahrnehmung steigt seit Oktober 2020 wieder an und befindet sich derzeit etwa auf dem Niveau von Ende April 2020. Insgesamt fühlen sich Frauen häufiger einsam als Männer. Auch alleine lebende Menschen berichten von größerer Einsamkeit. Junge Befragte weisen höhere Einsamkeitswerte auf als ältere; diese Entwicklung verstärkte sich seit November 2020 nochmals. © Corona Panel Uni Wien

Die Krise wird noch länger dauern, Ihr Panel zeigt: Die Bevölkerung ist auch darauf eingestellt. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Politik. Was sollte in der Kommunikation anders werden?

Es sollte mehr um Inhalte und weniger um Inszenierungen gehen. Was die Regierung kommuniziert, ist nicht klar, dadurch werden Unsicherheit und Misstrauen gefüttert, und es entstehen Missverständnisse. Im Jänner gab es klare Ansagen, was die Öffnungsschritte bestimmen wird, bestimmte zahlen, wie die Inzidenz. Und dann hält man sich nicht daran! Auch jetzt gerade ist dieses Zahlenmaterial offenbar nicht ausschlaggebend dafür, wo welche Öffnungsschritte gesetzt werden. Das führt zu großer Verunsicherung und es sinkt die Motivation, die Maßnahmen noch weiter mitzutragen.

Umfrage vom 22.1.2021: Die österreichische Bevölkerung stellt der Krisenkommunikation der Regierung ein durchwachsenes Zeugnis aus. Es wird vor allem kritisiert, dass die Bundesregierung zu wenig auf Kritik von anderen eingeht und zu viel Wert auf das eigene Auftreten legt. Kritische Einschätzungen zur Regierungskommunikation kommen erwartungsgemäß vor allem von WählerInnen der Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ.
Umfrage vom 22.1.2021: Die österreichische Bevölkerung stellt der Krisenkommunikation der Regierung ein durchwachsenes Zeugnis aus. Es wird vor allem kritisiert, dass die Bundesregierung zu wenig auf Kritik von anderen eingeht und zu viel Wert auf das eigene Auftreten legt. Kritische Einschätzungen zur Regierungskommunikation kommen erwartungsgemäß vor allem von WählerInnen der Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ. © Corona Panel Uni Wien

Wäre, so gesehen, die Ampel nicht genau das richtige Instrument gewesen, mit klaren Parametern für die Öffnung?

Ja, das wäre insbesondere auch eine gute Möglichkeit gewesen, regional zu steuern wie das jetzt versucht wird. Da muss aber, mit Verweis auf ähnliches Vorgehen in anderen Länder, gesagt werden: In Italien etwa funktioniert das deshalb so gut, weil es dort je nach Zone verboten ist, die Grenzen von Regionen zu überschreiten. Bei bestimmten Farben darf man nicht einmal das Gemeindegebiet verlassen. In Vorarlberg darf jeder hin- und herfahren, auch aus dem Land hinaus und hinein.

Ist die Politik nicht schon bei der Ampel daran gescheitert, die Parameter für eine Öffnung zu erklären? Kann man die überhaupt so erklären, dass sie verständlich sind?

Man kann auch Maßnahmen innerhalb eines komplexen Systems übersetzen, dazu bedarf es aber guter Kommunikationstechniken. Die Erklärung muss es bei einer Person klingeln lassen, sodass sie versteht, warum die eigene Region betroffen ist. Jetzt ist halt schon viel Zeit vergangen, man hätte das viel früher schon konsistent machen müssen.

Wie denkt die Bevölkerung über Überwachungsmaßnahmen und Datenschutz?

Der Datenschutz ist in Österreich, und nicht nur hier, ein großes Problem, ganz anders als in Skandinavien, Großbritannien, Israel oder Südostasien. Die Corona-App ist ein schönes Beispiel, wie etwas nicht funktionieren kann, weil die Leute Angst haben, was mit den eigenen Daten passiert. Ich fürchte, dass die Diskussion darüber, was passiert, nachdem man geimpft oder getestet ist, noch viel an juristischen, aber auch an ethischen Fragen aufbrechen lassen wird. Aber das ist notwendig, denn wir haben es mit einem Paradigmenwechsel zu tun, wenn wir davon reden, was wir dürfen, weil wir gesundheitlich Vorsorge getroffen haben, und wofür wir bestraft werden, wenn wir das nicht zulassen. In liberalen Demokratien braucht so eine Diskussion Zeit, die müssen wir uns auch nehmen. Versäumnisse können hier immense Auswirkungen haben.

Die, die nix glauben und alles besser wissen, ist gegen die auch ein Kraut gewachsen?

Die gibt es natürlich, und sie haben für sich gute Argumente dafür, unzufrieden zu sein. Aber ihre Zahl ist nicht so groß, wie es oft über die Medien rüberkommt. Auch für sie gilt: Kommunikation ist der einzige Weg, sie zu überzeugen. Die totale Homogenität wird es nicht spielen, aber sie müssen ernst genommen werden.

Kommunikationsfachleute, insbesondere NetzexpertInnen wie Ingrid Brodnik, sagen, gegen diese Menschen kann man nicht "anargumentieren", man kann sie nur im persönlichen Gespräch in ihrem Glauben erschüttern. Ist die Politik da nicht machtlos?

Ich glaube, man darf auf Kommunikation und Überzeugungsarbeit nicht verzichten, auch wenn wir wissen, dass neutrale, sogar gegenläufige Informationen diese Menschen oft in ihrer Meinung noch bestärken.

Was hat Sie persönlich bei all Ihren Umfragen seit einem Jahr eigentlich am meisten überrascht?

Einerseits die Polarisierung, wie man mit den Maßnahmen umgehen soll, das geht von "nicht ausreichend" bis "zu extrem". Dass sich die Gesellschaft da so stark in unterschiedliche Camps spaltet, auch innerhalb von Familien, was man tun darf und was nicht, verblüfft. Es ist spannend, wie eine Krise da zu so gegenteiligen Positionen führt. Was auch sehr spannend ist: dass die Meinung, wonach die Regierungsmaßnahmen effektiv sind, so rapide nach unten geht. Wir waren ja Musterschüler im Frühling, dann kam ein fast normaler Sommer, und dann ist der Glaube an die Effektivität plötzlich nach unten gegangen. Für mich war es überraschend, wie schnell die Regierung ihren Bonus verspielt hat.