In der Wiener Innenstadt ist es heute zu mehreren kleineren Protesten gekommen, die großen Demonstrationen waren im Vorfeld untersagt worden. Dabei wurden wie schon in der Vergangenheit zum Teil die Corona-Maßnahmen missachtet, was zu über 200 Anzeigen führte. Eine bekannte Aktivistin aus der rechtsextremen Szene wurde festgenommen, teilte die Polizei in einer Aussendung Samstagabend mit.

Für den heutigen Tag wurden im Vorfeld insgesamt zehn Großversammlungen untersagt, "um Gefahren für die Volksgesundheit zu vermeiden". Den Aufrufen, an den untersagten Kundgebungen trotzdem teilzunehmen, sind laut Polizei nur wenige gefolgt.

120 Teilnehmer

Im Bereich des Ballhausplatzes beteiligten sich an einer nicht untersagten Kundgebung rund 120 Teilnehmer. "Die Manifestanten hielten sich sowohl an den Mindestabstand und das Gebot des Tragens eines eng anliegenden Mund-Nasenschutzes und es kam zu keinen Vorfällen", bilanzierte die Polizei. Das Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen konnte laut Exekutive verhindert werden.

Am Heldenplatzes kam es zu Mittag zur Festnahme einer bekannten Protagonistin der untersagten Versammlungen. Die Frau weigerte sich trotz der wiederholten Aufforderungen, die geltenden Covid-19-Bestimmungen einzuhalten, weshalb sie festgenommen wurde. Eine weitere Person wurde wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz angezeigt, weil sie eine Armschleife in symbolischer Form eines Judensterns trug.

Insgesamt kam es zu 182 Anzeigen wegen Nichteinhaltung des Mindestabstandes sowie 31 Anzeigen wegen Nichtbeachtung der Maskenpflicht, einer Anzeige gemäß Verbotsgesetz, 13 sonstigen verwaltungsrechtlichen Anzeigen und fünf Organmandaten sowie zwei verwaltungsrechtlichen Festnahmen.

Kickl kritisiert Absage und wirbt für Teilnahme

Scharfe Kritik an der Absage von Demonstrationen von Corona-Maßnahmen-Gegnern übte FPÖ-Klubchef Herbert Kickl am Samstag in einer Pressekonferenz. Das sei "ein Tabubruch, Sündenfall, demokratiepolitischer Skandal" und erstmals "direkte Zensur". Gleichzeitig warb Kickl für die Teilnahme an einer von der FPÖ für Sonntag angemeldeten Versammlung am Heldenplatz, wo er und ein Großteil der für die abgesagte Demo angemeldeten Redner auftreten werden.

Nicht wie ursprünglich angekündigt an Kickls Seite saß am Samstag der Rechtsanwalt Gerold Beneder. Man habe darauf verzichtet, "damit nicht der Eindruck einer parteipolitischen Vereinnahmung" entsteht, erläuterte Kickl eingangs.

Und wandte sich dann langer Kritik zu: Die morgige Großdemo sei "auf Geheiß des Innenministers untersagt" worden, meinte der FPÖ-Klubchef, Minister Karl Nehammer und Kanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) hätten verhindern wollen, dass sie von "tausenden Menschen" Kritik an ihrer Corona-Vorgangsweise hören - und mit einer "Einschüchterungsstrategie" eine Demobilisierung versucht. Mittlerweile werde "beinhart" die Linie gefahren, "dass Regierungskritik in diesem Land nicht mehr geduldet ist". Das "passt in eine Demokratie nicht im Mindesten hinein", befand Kickl.

Dabei hätten die Organisatoren in Telefonaten und Schreiben an die Polizei zugesagt, "dass selbstverständlich auf die Einhaltung der Corona-Regeln Bedacht genommen wird". Sie hätten "sogar geworben" dafür und ausreichend Masken für alle Teilnehmer besorgt. Dass darauf nicht eingangen wurde, sei nicht der Landespolizeidirektion Wien - die Kickl, wie die Polizei generell, lobte -, sondern dem Innenminister anzulasten.

Nicht stichhaltig sind aus seiner Sicht die Gründe für die Absage - nämlich dass die Volksgesundheit gefährdet sei, weil angesichts zahlreicher Verstöße bei vorigen Demos die Missachtung der Abstands- und Maskenpflicht zu befürchten sei. Es fehle jede medizinische Evidenz, dass von Versammlungen Corona-Infektionen ausgingen, meinte Kickl. Das Versammlungsrecht sei "verfassungsrechtlich ganz stark abgesichert" - und dass von einer Demo gegebenenfalls Gefahr ausgehen könnte sei kein hinreichendes Argument für eine Untersagung. Auch die ebenfalls behauptete "angebliche rechtsextreme Unterwanderung" solcher Anti-Corona-Demos sei nicht belegt, es gebe keine Anzeigen etwa wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz bei früheren Kundgebungen.