Am Samstag machte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Portugal den Anfang, Charles Michel legte am Sonntag nach: Der EU-Ratspräsident sagte in Hinblick auf den Corona-Videogipfel der Staats- und Regierungschefs kommenden Donnerstag, dass man sich mit dem griechischen Vorschlag eines Impfpasses auseinandersetzen werde. Ein Zertifikat für geimpfte Personen, das zum Beispiel die Reisefreiheit erleichtern könnte. Ein Vorgehen, das auch in Verbindung mit Drittländern von Vorteil sein könnte.

Michel warnte gleichzeitig davor, zu früh auf den Zug aufzuspringen: „Zuerst müssen wir klären, ob alle damit einverstanden sind, und dann schauen, dass genug Menschen geimpft sind.“ Es handle sich um eine sehr sensible Frage: „Es könnte der Eindruck entstehen, auf diese Weise käme es doch zu einer Impfpflicht, viele Länder betonen aber die Freiwilligkeit.“ Doch nur, weil die Frage heikel sei, werde man ihr nicht aus dem Weg gehen.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die gestern mit ihren Amtskollegen an der Vorbereitung des Gipfels arbeitete, sprach sich für so ein Zertifikat aus; sie halte das für eine wesentliche Voraussetzung für Mobilität und Tourismus. Denkbar wäre auch, dass so ein Pass Erleichterungen bei Fluglinien oder beim Zutritt zu Veranstaltungen bringt. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Ungeimpften würde nicht entstehen, wenn parallel etwa die wechselseitige Anerkennung von Tests funktioniere - "damit es eben keine Einschränkung gibt für solche, die sich nicht impfen lassen können oder wollen oder wo die Impfdosen noch nicht zu Verfügung stehen".

Grundvoraussetzung

"Mobilität ist eine Grundvoraussetzung" für das Wirtschaften, das Reisen und den Tourismus, argumentierte Edtstadler. Einige EU-Staaten hätten sich bei dem virtuellen Treffen deutlich dafür ausgesprochen, andere hätten ihre Sorge über die mögliche Entstehung "unterschiedliche Gesellschaftsklassen" ausgedrückt, da der Impfstoff derzeit noch nicht für alle Bürger ausreicht, berichtete die Europaministerin.

Wann es das Impfzertifikat geben kann, ist noch nicht klar. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Sondergipfel zur Coronavirus-Pandemie am Donnerstag darüber debattieren. Frankreich aber auch Deutschland haben sich im Vorfeld kritisch geäußert. Edstadler betonte, "hier kann man noch Überzeugungsarbeit leisten." Auch wenn es noch Bedenken gäbe, solle man die Koordinierung früh genug beginnen lassen.

Angesprochen auf die schleppende Impfstrategie der EU, erklärte Edtstadler, dass "es natürlich eine Herausforderung ist, einen sicheren Impfstoff auch in der notwendigen Menge zu produzieren". Gleichzeitig verwies sie darauf, dass die Lieferzusagen für das erste Quartal eingehalten werden können und die EU-Kommission alles dafür tue, dass "tatsächlich ausreichend Impfstoff produziert werden kann". Nun gelte es, die Zeit zu nutzen, die Menschen "davon zu überzeugen, dass das ein sicherer Impfstoff ist und dass dieser tatsächlich ein 'Game Changer' sein wird".

Noch keine gemeinsame Linie

Unter den EU-Staaten gibt es aber noch keine gemeinsame Linie zur Frage, ob Zertifikate über die Impfung gegen das Coronavirus künftig Voraussetzung für Urlaubs- oder Geschäftsreisen sein sollen., wie die Nachrichtenagentur AFP am Abend resümierte. Die Debatte stehe noch "ganz am Anfang", sagte die portugiesische Europa-Staatssekretärin Ana Paula Zacarias am Montag. Die EU-Kommission warnte, ein solches Zertifikat dürfe nicht zur Einschränkung der Rechte einzelner Gruppen führen.

Erst müsse die Frage geklärt werden, ob sich das Coronavirus über die Geimpften nicht doch weiterverbreite, sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD). "Deswegen halte ich es heute nicht für zielführend, darüber schon eine abschließende Entscheidung zu treffen." Roth zeigte sich aber grundsätzlich offen für den Vorschlag.