Die Staatsanwaltschaft Wien hat - vorerst - U-Haft für acht der 16 nach dem Wiener Attentat Festgenommenen beantragt. Sie seien dringend verdächtig, einen Tatbeitrag geleistet oder selbst das Verbrechen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung bzw. kriminellen Organisation begangen zu haben, teilte Sprecherin Nina Bussek Donnerstagabend mit. Ein Beschuldigter wurde auf freien Fuß gesetzt, da sich der Tatverdacht nicht erhärtete.

Bei fünf Beschuldigten ist die Sachverhaltsprüfung noch nicht abgeschlossen - und zwei Festgenommene wurden bisher noch gar nicht in die Justizanstalt überstellt. Über die acht U-Haft-Anträge der Staatsanwaltschaft wird morgen, Freitag, das Wiener Straf-Landesgericht entscheiden.

Acht der 16 Inhaftierten seien zuvor bereits schon einmal verurteilt worden, hatte Franz Ruf, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, zuvor bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erläutert: Vier wegen § 278 StGB, also wegen terroristischer Straftaten, zwei wegen unterschiedlicher Gewaltdelikte, zwei wegen versuchten Ehrenmordes. Parallel dazu laufen Ermittlungen in der Schweiz und "in einem anderen Land", das man nicht nennen wolle, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden

Nehammer, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, sowie der Wiener Polizeipräsident, Gerhard Pürstl, informierten über die weiteren Ermittlungen und die aktuelle Lage zum Terroranschlag in Wien in einer Pressekonferenz.

Der folgende Tatablauf wurde bei der Pressekonferenz noch einmal rekonstruiert:

  • Um 20 Uhr erfolgte der erste Notruf.
  • Um 20.03 gab ein Streifenpolizist den ersten Schuss ab - es war jener Polizist, der unmittelbar danach durch einen Schuss in den Oberschenkel schwer verletzt wurde
  • Um 20.09 Uhr wurde der Täter von einem WEGA-Beamten durch einen Schuss unterhalb des linken Schulterblattes, der auch die Lunge und das Rückgrat verletzte "neutralisiert", sprich getötet. Die WEGA sei immer auch im Streifendienst unterwegs, daher habe sie so rasch vor Ort sein können.

Nehammer betonte, dass sich der Streifendienst der gut ausgerüsteten WEGA bewährt habe. Man habe diesbezüglich aus früheren Terror-Erfahrungen gelernt. Der Notruf selbst sei nicht ungewöhnlich gewesen, umso beachtlicher, dass die Einsatzkräfte so rasch vor Ort waren. Kritik am Vorgehen der Exekutive sei zu erwarten gewesen, so der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl, es handle sich aber um "Einzelmeinungen".

"Keine Defizite bei Ausrüstung"

Dass nicht jede Polizeistreife mit Sturmgewehren ausgerüstet sei, habe auch damit zu tun, dass es im Stadtgebiet gefährlich sei, damit zu schießen, wenn man nicht entsprechend ausgebildet sei., so Pürstl. "Es gibt keinerlei Defizite, was die Ausrüstung oder die Zuteilung betrifft." Je mehr Beamte dafür ausgebildet seien, desto mehr Sturmgewehre würden auch zugeteit werden.

Pürstl warnte auch davor, einen "Kriminalroman von hinten zu lesen". Angebliche Hinweise, die auf die Gefährdung des Täters hingewiesen hätten, seien relativ: Ende Juli seien tatsächlich Hinweise eingelangt darauf, dass zwei Ausländer tschetschenischer Abstammung versucht hätten, sich in einem Geschäft in der Slowakei Waffen zu verschaffen. Informationen über Autokennzeichen und Täter seien nicht klar gewesen, es sei in der Folge aber möglich gewesen, mögliche Täter auszuforschen.

"Abklärung hat gedauert"

Die Erledigung der Bitte um Abklärung bei den Behörden im Ausland habe länger gedauert, man habe zweimal schriftlich urgiert und einmal telefonisch. Eine Gefährdungsbewertung einer Person sei keine einfache Sache, da gebe es international standardisierte Verfahren. Die Einschätzungen hätten ein entsprechendes Bild ergeben, das den Verfassungsschutz zu weiteren Erhebungen veranlasste. Dass der spätere Täter tatsächlich der Mann gewesen sei, der versucht habe, die Waffen zu verkaufen, sei nie mit hundertprozentiger Sicherheit festgestanden.

Mit einem Wort: Dass es eine konkrete Meldung gegeben habe, auf die nicht reagiert wurde, sei falsch. Eine Kommission werde das Geschehen evaluieren, "und darüber sind wir froh", so Pürstl. Man sei nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen. Aber eine Gefährdungseinschätzung sei immer eine Prognose, und ganz sicher solle man nie sein, dass nichts "passiert" ist.

Gegen den konkreten Täter sei keine Razzia, keine Schwerpunktaktion geplant gewesen, wie die Kleine Zeitung übrigens bereits berichtete.

Mehr Befugnisse?

Unmittelbar nach Bildung der türkis-grünen Koalition ist die Sicherungshaft eines der ersten Themen gewesen, die zu Diskussionen innerhalb der noch jungen Regierung geführt haben. Sie steht zwar im gemeinsamen Regierungsprogramm, unmittelbar nach dessen Präsentation wurden aber an ihr sogleich die Auffassungsunterschiede offenkundig. Zuletzt war es um das Thema ruhig geworden. Durch die Terrorattacke in Wien ist die Sicherungshaft nun plötzlich aber wieder auf dem Tapet.

Die ÖVP drängt auf mehr Befugnisse für die Strafverfolgungsbehörden bei der Terrorverfolgung. Bei einer Sondersitzung des Nationalrats zum Attentat in der Wiener Innenstadt meinte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag, nicht immer verfüge man über die rechtlichen Mittel, um islamische Extremisten und andere Gefährder entsprechend überwachen und sanktionieren zu können. Der Regierungschef selbst sah sich teils heftiger Kritik der Opposition ausgesetzt.

Dass die ÖVP bei dem Thema Druck machen will, kann man auch daran ablesen, dass offenbar schon ein türkises Verhandlungsteam feststeht. Laut einem Bericht der "Kronen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) sollen das geplante Gesetz gegen Gefährder auf ÖVP-Seite Klubchef August Wöginger, Innenminister Karl Nehammer und Integrationsministerin Susanne Raab verhandeln. Von Grüner Seite hielt man sich vorerst bedeckt.

Die Grünen standen bisher bei dem Thema auf der Bremse. Von Beginn an verwies man wiederholt darauf, dass im Regierungsprogramm von einem "zusätzlichen, verfassungskonformen Hafttatbestand" die Rede sei. Eine Änderung der Verfassung schloss man wiederholt dezidiert aus. Wie Türkis-Grün im Regierungsübereinkommen formulierte, soll die Sicherungshaft eine Handhabe gegen "Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden", bieten.

Ein Misstrauensantrag der FPÖ gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ist zum Abschluss der Sondersitzung des Nationalrats zum Terroranschlag in der Wiener Innenstadt abgelehnt worden. Die freiheitliche Abgeordnete Dagmar Belakowitsch hatte die Initiative im wesentlichen damit begründet, dass das Innenressort die slowakischen Informationen bezüglich des Munitionskauf-Versuchs des späteren Attentäters ignoriert bzw. nicht an die Justiz weitergeleitet habe.

Die übrigen lehnten den Misstrauensantrag ab. Unterstützt wurde von den Koalitionsfraktionen dagegen ein eigener Entschließungsantrag zur Einsetzung einer Untersuchungskommission. In einem weiteren Antrag wurde der Anschlag vom Montag verurteilt und der Wunsch nach einem Präventionskonzept ausgedrückt. Zustimmung kam jeweils auch von den NEOS.