Kurz nach 1 Uhr nachts trat Innenminister Karl Nehammer noch einmal vor die Presse, und er gab noch nicht Entwarnung, im Gegenteil. Sein Appell an die Wienerinnen und Wiener: "Bleiben Sie zu Hause. Meiden Sie die Innenstadt!" Auch Kinder sollten am Dienstag möglichst nicht in die Schule geschickt werden, die Schulpflicht sei für diesen Tag ausgesetzt. Gleichzeitig zeigte Nehammer den Terroristen verbal die Stirn: "Wer einen von uns angreift, der greift uns alle an." Die nächste Information gibt es bei einer Pressekonferenz um 6 Uhr früh.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte die Vorkommnisse Montagabend in der Wiener Innenstadt als "widerwärtigen Terroranschlag" verurteilt, der "sehr professionell vorbereitet" worden sei. "Unsere Polizei wird entschlossen gegen die Täter dieses widerwärtigen Terroranschlags vorgehen. Ich bin froh, dass unsere Polizisten bereits einen Täter ausschalten konnten. Wir werden uns durch Terrorismus niemals einschüchtern lassen und diese Angriffe mit allen Mitteln entschieden bekämpfen", sagte Kurz.

Zum Hintergrund der Bluttat könne man noch nicht wirklich etwas sagen. Angesichts der Nähe des Tatorts zur Hauptsynagoge in Wien sei ein antisemitischer Hintergrund nicht auszuschließen.

"Wir erleben gerade schwere Stunden in unserer Republik. Ich möchte allen Einsatzkräften danken, die insbesondere heute für unsere Sicherheit ihr Leben riskieren. Das ganze Land ist in Gedanken bei den Opfern, Verletzten und ihren Angehörigen, denen ich mein tiefes Mitgefühl ausdrücke", so Kanzler Kurz. Er bedankte sich auch bei der Spitze der Europäischen Union und den internationalen Partnern für ihr Mitgefühl und die Bekundungen ihrer Solidarität.

Bundesheer assistiert

Damit sich die Polizei ganz auf die Terrorismusbekämpfung konzentrieren kann, habe die Bundesregierung entschieden, dass das Bundesheer den bisher durch die Polizei durchgeführten Objektschutz in Wien ab sofort übernehmen wird, so Kurz. Es gebe noch keine Entwarnung, "die Leute sollen dort bleiben, wo sie sind". Von der Entwicklung während der Nacht werde es abhängen, ob man in der Früh - etwa auch für die Schulkinder - Entwarnung geben könne. Spät in der Nacht begann man, den Menschen, die "gefangen" in Lokalen und Veranstaltungssälen waren, die Rückkehr nach Hause zu erlauben.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich tief betroffen und bedankte sich für die Solidaritätsbekundungen aus anderen Staaten. Sein Mitgefühl gelte den Opfern und ihren Angehörigen, so Van der Bellen. "Wir werden unsere Freiheit und Demokratie gemeinsam und entschlossen mit allen gebotenen Mitteln verteidigen", betonte der Bundespräsident. 

Schwer bewaffnet

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat Montagabend nach mehreren Schießereien in der Wiener Innenstadt von einem "augenscheinlichen Terroranschlag" gesprochen. Nehammer bestätigte, dass es mehrere Verletzte gegeben habe, auch Tote gebe es. Gegen 23.30 Uhr erklärte Nehammer gegenüber dem ORF, der Einsatz sei immer noch am Laufen. Man suche mehrere, vermutlich mobile, schwer bewaffnete Täter. Er könne nicht sagen, um welche Räume in Wien es gehe, um den Einsatz nicht zu gefährden.

Nehammer appellierte an die Bevölkerung, öffentliche Plätze zu meiden und keine Öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Das Geschehen spielte sich an mehreren Orten gleichzeitig ab, von sechs Tatorten war die Rede: Neben der Seitenstettengasse der Morzinplatz, der Fleischmarkt, der Bauernmarkt, der Graben und der Salzgries.

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hat nach den Anschlägen in der Wiener Innenstadt Montagabend von "schockierendem Terror" gesprochen. "Wir alle teilen die Sorge und Trauer um Opfer und Verletzte", schrieb Kogler auf Twitter. Die Gefahr sei noch nicht gebannt.

Parlamentssitzung abgesagt

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat sich am Abend "tief erschüttert, fassungslos und entsetzt" über den Anschlag in Wien geäußert. Auf Twitter sprach sie von einem "abscheulichen Terroranschlag". Auch FPÖ-Obmann Norbert Hofer zeigte sich "entsetzt", er sprach auf Twitter von einem "schrecklichen Terroranschlag". Sein Mitgefühl gelte "allen Opfern der feigen Terroristen".

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich "geschockt" über den offensichtlichen Terrorakt in Wien. "Klar ist, dass unsere offene Gesellschaftsordnung stark ist, stark bleiben wird und wehrhaft solchen Angriffen gegenüber steht", schrieb Meinl-Reisinger auf Twitter.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat angesichts des Anschlags in Wien die Sondersitzung des Nationalrats zur "Hacklerregelung", die für morgen angesetzt war, abgesagt. Basis dafür war ein entsprechendes Verlangen von SPÖ und FPÖ, die das außertourliche Plenum beantragt hatten.

Wie man nun weiter vorgeht, soll in einer Sonderpräsidiale ab 9.30 Uhr beraten werden. Ob die Sitzung virtuell stattfindet oder man sich persönlich trifft, stand Montag spät Abend noch nicht fest.

15 Verletzte, 7 davon schwer

Ihren Ausgang nahmen die Geschehnisse von Schüssen gegen 20 Uhr, ausgehend von der Seitenstettengasse, nahe dem Schwedenplatz. Es seien mehrere Täter mit Langwaffen gewesen, und sechs Tatorte. Es gebe ein Todesopfer (einen Passanten) und 15 Verletzte, sieben davon schwer verletzt, darunter auch ein Polizist, bestätigte auch Christoph Mierau, Sprecher des Wiener Gesundheitsverbundes. Ein Täter ist von der Polizei erschossen worden. Andere Täter sind noch auf der Flucht.

Ein Entminungsdienst kam zum Einsatz, um zu überprüfen, ob der erschossene Täter einen Sprengstoffgürtel umgeschnallt hat, berichtete der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig aus dem Krisenstab rund um Nehammer und Kurz im Innenministerium. In den Nachtstunden war dann klar, dass der Täter keine Solche Waffe an sich hatte.

Großeinsatz

Im Bereich der Innenstadt errichtete die Rettung einen Triage-Platz, um Verletzte nach Schwere ihrer Blessuren und Dringlichkeit einordnen zu können. Im Einsatz waren der Katastrophenzug und zahlreiche Einsatzkräfte der Partnerorganisationen der Rettung. Nach Informationen der APA wurde Spitalspersonal in mehreren Wiener Krankenhäusern alarmiert, so auch im UKH Nord.

Ausgangspunkt des Terroranschlages war offenbar die Seitenstettengasse, die Großfahndung läuft noch. Es handelt sich um einen Großeinsatz der Polizei unter Einbindung aller Spezialkräfte, ein Einsatz, "wie wir ihn noch nicht erlebt haben", wie Augenzeugen bestätigten.

Ausgangspunkt das jüdische Viertel

Kurz vor Beginn des Lockdowns war die Innenstadt von Wien sehr belebt. Es kursierten rasch auch Videos und Fotos im Netz, die Polizei appellierte jedoch an die Bevölkerung, diese Dokumente nicht zu teilen, sondern der Exekutive zu übermitteln. Eines dieser Videos zeigte, wie, scheinbar wahllos, in Lokale geschossen wurde.

In der Seitenstettengasse befindet sich auch die Synagoge, die jedoch zum Zeitpunkt des Anschlag bereits geschlossen war, ebenso wie das angeschlossene Lokal. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, erklärte daher auch in einer ersten Reaktion, er könne nicht bestätigen, dass die Synagoge offensichtlich das Ziel des Anschlags gewesen sei.

Nehammer appellierte auch an alle, nur Meldungen als wahr zu betrachten, die vom Innenministerium bestätigt werden. Zwischendurch war sogar von einer Geiselnahme die Rede, was sich allerdings als Gerücht entpuppte.

Situation unübersichtlich

Die Situation war zunächst unübersichtlich. Die Polizei wies nach dem Anschlag alle Passanten an, den ersten Wiener Gemeindebezirk zu räumen. "Verlassen Sie den ersten Bezirk!", riefen schwer bewaffnete Polizisten in Schutzausrüstung Radfahrern, Spaziergängern und Passanten zu.

Auch Fahrzeuge wurden angewiesen, umzudrehen. "Es gibt einen Terroranschlag", so die allgemeine Auskunft. Relativ rasch kehrte gespenstische Stille ein, Bundeskanzleramt und Bundespräsidentschaftskanzlei waren verweist, keine Polizisten ohne Schutzausrüstung, keine Menschen auf der Straße. Der Innere Bezirk wurde weitläufig abgesperrt.

Ein ähnliches Bild zeigte sich auch auf der Mariahilfer Straße. Was in einem Lokal nahe der Mariahilfer Kirche passierte, war unklar. Die Polizei sperrte die Straße wieder weiträumig ab, Passanten wurden weggeschickt, der Polizeihubschrauber kreiste. "Verlassen Sie die Straße, suchen Sie Schutz in Gebäuden!", forderte die Polizei via Lautsprecher die Passanten auf. Die Stimmung war angespannt, Menschen schrien einander gegenseitig an, die Straße zu verlassen.

Die Ängste "ein Wahnsinn"

Von den Schüssen bei der Terrorattacke in der Wiener Innenstadt überrascht wurde auch ein 53-jähriger Niederösterreicher, der Montagabend am Hohen Markt in einem Lokal ein Geschäftsessen hatte. "Wir haben die Schüsse gehört, und dann hat es geheißen, Licht aus, Türen zu", berichtete der 53-Jährige im Gespräch mit der APA. Daraufhin hatten sich alle Gäste auf den Boden gelegt. "Die Ängste unter den Gästen sind ein Wahnsinn." Verletzt wurde niemand in dem Restaurant.