„Wir sitzen alle im selben Boot“, befand Bundeskanzler Sebastian Kurz vor Beginn des gestrigen Corona-Sondergipfels und zitierte damit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die dasselbe am Mittwoch schon gesagt hatte - und auch Ratspräsident Charles Michel wählte diese Worte. Die 27 Staats- und Regierungschefs wollen regelmäßig die Möglichkeiten für eine bessere Corona-Koordination abklopfen, gestern schafften sie wichtige Schritte.

Am Beginn des Treffens gedachten die Regierenden aber zunächst der Opfer des Terroranschlags in Nizza und versicherten Frankreich volle Solidarität.

Das virtuelle Treffen brachte schließlich aber doch einige nennenswerte Ergebnisse. Es soll nun einen konkreten Vorstoß geben für einen Datenaustausch in Echtzeit über das ECDC, damit alle auf dem gleichen Stand sind. Neu ist weiters: Von der Leyen berichtete, dass eine eigene Plattform für die beratenden Wissenschaftler in allen Mitgliedsländern eingerichtet wird, damit diese sich besser untereinander austauschen können. Darüber hinaus werden als Sofortmaßnahme 220 Millionen Euro bereitgestellt, um grenzüberschreitende Patiententransporte zu gewährleisten. Noch heuer wird es nun doch ein einheitliches Online-Formular für Reisende geben; die Kommission will das noch im November einrichten, spätestens im Dezember soll es zur Abwendung kommen.

Einen Schritt weiter kam man beim EU-weiten Verteilungsschlüssel, wenn es Impfstoffe gibt: Wer bekommt wie viele Dosen, an wen gehen sie zuerst? Jedes Land soll anhand der Bevölkerungszahl gleich behandelt werden, lautete die Übereinkunft der Staats- und Regierungschefs. Weiteres Thema waren die neuen Schnelltests und deren gegenseitige Anerkennung, es herrscht ein Grundkonsens. Noch offen blieb vorerst eine überall gleiche Quarantänedauer.

Warnung vor geschlossenen Grenzen

Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte vor der Schließung von Grenzen in der EU während der zweiten Welle der Corona-Pandemie. "Die Grenzen in Europa müssen offen bleiben", sagte Kurz am Donnerstag laut AFP bei der Video-Konferenz. Alle Länder hätten "eine ähnliche Situation - manche sind ein paar Wochen voran, manche sind ein paar Wochen zurück". Viele EU-Staaten hätten aber bereits wieder "Lockdowns oder Lockdown-ähnliche Zustände".

Sein Ziel sei "eine enge Koordinierung in der EU" bei den Covid-Maßnahmen, auch zum grenzüberschreitenden Reisen, meinte Kurz. Grenzschließungen wie während der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr sollten vermieden werden.

Auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, dass es für Deutschland "als Land in der Mitte Europas" wichtig sei, "dass die Grenzen offen bleiben". Es müsse "einen funktionierenden Wirtschaftskreislauf" geben und die EU koordiniert die Pandemie bekämpfen.

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis betonte bei dem Treffen nach eigenen Angaben vor allem die Notwendigkeit, "die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen für alle Mitgliedstaaten sicherzustellen". Solidarität sei "der Schlüssel zur Bewältigung der Krise", erklärte er auf Twitter.

Im Frühjahr war es zu nationalen Alleingängen bei der Sicherung von Masken und Schutzausrüstung gekommen. Unter anderem Deutschland hatte zwischenzeitlich ein Exportverbot für die knappen medizinischen Güter verhängt.

Hoffnung auf Schnelltests

Angesichts der überall in Europa rasant steigenden Infektionszahlen hatte Ratspräsident Michel diese Woche vorgeschlagen, Schnelltests zu nutzen, um etwa innereuropäische Reisebeschränkungen zu verhindern. Dabei geht es auch um die gegenseitige Anerkennung solcher Tests. Darüber hinaus soll über die Verteilungskriterien für künftige Impfstoffe und gegenseitige Hilfe unter den Mitgliedstaaten in der Pandemie beraten werden.

Hierzu hatte Kommissionschefin von der Leyen am Mittwoch angeregt, Informationen über Kapazitäten für Betten auf Intensivstationen EU-weit zu sammeln. Damit soll es einfacher werden, Patienten bei Engpässen in andere Länder zu verlegen. Zudem forderte von der Leyen die Mitgliedstaaten auf, Corona-Warn-Apps grenzüberschreitend nutzbar zu machen. Dafür gibt es bereits eine EU-Plattform, bisher nutzen die EU-Länder sie aber kaum. Noch im Lauf des November sollen aber 22 Länder, darunter auch Österreich, auf die selbe technische Ebene kommen.