Die Hochrechnung bestätigt die ersten Trends: Wien bleibt rot: Michael Ludwigs Sozialdemokraten konnten noch 2,6 Prozentpunkte zulegen und liegen derzeit bei 42,2 Prozent. Die ÖVP schaffte es mit 18,8 Prozent (einem Plus von 9,6 Prozentpunkten) auf den zweiten Platz, die Volkspartei hat sich im Sog von Bundesparteichef Sebastian Kurz verdoppelt. Das sind die Zahlen der letzten Hochrechnung nach Vorliegen des Urnen-Endergebnisses. Die Briefwahlstimmen werden erst ausgezahlt, sind aber in der Hochrechnung enthalten.

Die Grünen schaffen laut dieser Hochrung plus 2,2 Prozentpunkte und mit 14 Prozent in Wien ihr bisher zweitbestes Ergebnis. Die FPÖ stürzt auf 7,7 Prozent ab (ein Minus von 23,1 Prozentpunkten), das Team HC Strache liegt in der Hochrechnung klar unter fünf Prozent und verfehlt den Einzug in den Gemeinderat. 

Bei den Mandaten liegen die SPÖ nach dieser Hochrechnung bei plus drei Mandaten und gesamt 47, die ÖVP bei 21 (+14), die Grünen bei 15 (+5), die Neos bei 9  (+4) und die Freiheitlichen bei 8 (-26). Damit könnte die SPÖ sowohl mit den Grünen, ihrem bisherigen Koalitionspartner, als auch mit ÖVP oder Neos die Stadtregierung bilden.

Eine zweite Hochrechnung - jene der Arge Wahlen - weist sehr ähnliche Ergebnisse aus.

Laut derzeitigem Trend dürfte es das Team HC mit dem Einzug in den Wiener Gemeinderat nicht geschafft haben, auch wenn eine "exit poll"des OGM-Instituts, also eine Befragung am Wahltag selbst, dafür zunächst noch Chancen sah.

Wer wird Partner der SPÖ?

Die Grünen sind mit derzeit 14,1 Prozent nahe an ihrem bisher besten Wahlergebnis aus dem Jahr 2005 (14,6 Prozent). Falls es dabei bleibt, haben sie ihr eigenes Wahlziel, diese Latte zu überspringen, zwar knapp verfehlt, aber große Chancen darauf, weiterhin in der Stadtregierung zu bleiben. Selbst hat man sich bereits vor der Wahl festgelegt, dass man gerne in der Regierung bleiben würde. Klubobmann David Ellensohn: "Wir sind bereit."

Spitzenkandidatin Birgit Hebein sieht "einen ganz klaren Auftrag, mit rot-grün weiterzumachen." Allerdings nicht unter allen Bedingungen. Sie freue sich sehr darüber, dass auch der kleinere Koalitionspartner bei dieser Wahl gestärkt wurde, "denn das zeigt das große Vertrauen in uns". Alles andere habe Bürgermeister Michael Ludwig in seiner Hand.

Blümel würde nach Wien wechseln

Die ÖVP schaffte es auf Platz 2 und wird sich bei der SPÖ wohl ebenfalls als Partner bewerben. ÖVP-Spitzenkandidat  Gernot Blümel ist "überglücklich" über "den größten Zugewinn, den die ÖVP je erreicht hat in ihrer Geschichte".

In der ÖVP werden bereits Stimmen laut, die sich fragen, ob es klug war, Gernot Blümel, der eigentlich als Finanzminister gebraucht wird, gleichzeitig als Spitzenkandidat in Wien zu installieren, wenn dort jetzt die Funktion des Vizebürgermeisters winkt.

ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel steht "selbstverständlich für Koalitionsverhandlungen" bereit. Er sei angetreten, um mitzuregieren, sagte er gegenüber dem ORF und betonte, im Falle einer Regierungsbeteiligung in Wien zu bleiben. Jetzt müsse aber einmal das Endergebnis abgewartet und dann verhandelt werden.

SPÖ lässt sich nicht in die Karten schauen

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte sich ja bis zuletzt bedeckt gehalten, was die Absichten der Sozialdemokraten betrifft. Nun haben beide Koalitionäre gewonnen - sowohl die SPÖ als auch die Grünen, die Zeichen stehen damit vermutlich auf weitere Zusammenarbeit.

Nach dem Wahlabend werde sich den Hochrechnungen zufolge auch eine Regierung mit der ÖVP oder mit den Neos ausgehen. Wahlsieger Michael Ludwig zeigte sich "sehr zufrieden" damit, dass er mit dem Ergebnis sogar Vorgänger Michael Häupl noch übertreffen konnte.

In Bezug auf die künftige Koalition in der Stadtregierung bleibt er aber vorerst nach allen Richtungen offen: "Ich habe vor der Wahl nur die FPÖ und das Team HC Strache ausgeschlossen, es bleibt dabei." Ludwig wollte auch nicht ausschließen, dass man das Amt des Finanzstadtrates Blümel antragen könnte.

Bettina Emmerling von den Neos jubelt über die ersten Trends: "Das wäre ein sensationelles Ergebnis, eine Belohnung dafür, dass wir uns für das Ende der Freunderlwirtschaft eingesetzt haben." Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr bietet sich ebenfalls als Koalitionspartner an: "Mein Ziel war immer, mitzugestalten, wir sind bereit. Jetzt liegt der Ball beim Bürgermeister." Man werde der kleinste, aber nicht der bequemste Gesprächspartner Ludwigs sein.

Enttäuschung in allen blauen Lagern

Naturgemäß enttäuscht ist die FPÖ über das Wahlergebnis: Die Schuld für den Absturz sieht man jedenfalls nicht bei der eigenen, aktuellen Parteiführung mit Dominik Nepp.

Karl Baron, ehedem FPÖ und nun Team HC, übt sich angesichts der Zitterpartei für seine Partei in Zweckoptimismus: "Noch ist nichts verloren." Auch Frontmann Heinz-Christian Strache wollte noch abwarten. Er habe eigentlich immer einen gemeinsamen Weg gehen wollen, das sei nicht möglich gewesen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende des Wahltages die fünf Prozent für den Einzug erreichen." Die Frage, ob er andernfalls endgültig Abschied von der Politik nehmen werde, wollte er nicht beantworten.

Die Wahlmotive

Eine erste Analyse der Wahlmotive:  Für die SPÖ-Wähler war der Spitzenkandidat, Michael Ludwig, der Hauptgrund dafür, rot zu wählen, gefolgt von den inhaltlichen Standpunkten (18%) und der bisherigen Arbeit der Partei (18%).

Bei der ÖVP waren Inhalte und Themen das Hauptmotiv (26%), der Spitzenkandidat Gernot Blümel war nur für rund 10 Prozent der Wähler ausschlaggebend - stärkstes Zugpferd war auch bei der Wahl in Wien Gesamtparteichef Sebastian Kurz.

Grün-Wähler wählten zu 40 Prozent vor allem wegen Inhalten und Themen diese Partei, Spitzenkandidatin Birgit Hebein war für weniger als zehn Prozent ausschlaggebend.

Rekord bei Wahlkarten

Die heute um 17.00 Uhr veröffentlichte erste Trendprognose beruhte nicht auf Wahlergebnissen, sondern auf insgesamt 4.000 Interviews mit Wiener Wahlberechtigten (circa 3.000 telefonisch und rund 1.000 online). Die Erhebung erfolgt von Mittwoch bis Samstag. Die Schwankungsbreite gab SORA mit  plus/minus 2,5 Prozent an.

Eine solche Trendprognose kann aufgrund der Methodik nicht eine so genaue Vorhersage des Wahlergebnisses liefern wie die klassische Hochrechnung. Dazu kommt die Tatsache, dass aufgrund der Coronakrise eine Rekord-Zahl von Wahlkarten beantragt wurde, was weitere Unsicherheiten bringt. Bis Dienstag früh wurden laut Wahlbehörde 356.000 Wahlkarten ausgestellt.

Die endgültigen Ergebnisse inklusive Briefwahl liegen frühestens am Montag, möglicherweise erst am Dienstag vor, wurden doch bereits jetzt schon eklatant mehr Wahlkarten beantragt als 2015. Ausgezählt werden die Briefwahl-Stimmen und die in "fremden" Wahlkreisen abgegebenen Wahlkarten ab Montag.

Zwar bekommen die Bezirkswahlbehörden heuer für diese zusätzliches Hilfspersonal. Aber auch sie müssen die Corona-Regeln einhalten, was zu weiteren Verzögerungen führen dürfte. Die Bestimmung, dass das Wahlkarten-Ergebnis am Montag vorliegen muss, wurde jedenfalls bereits aus der Wahlordnung gestrichen.