Seit Kurzem kühlt die Sonne die wohl größten Gefriertruhen Wiens. Auf den Hallen der Vereinigten Eisfabriken wurde vor gut einem Monat eine riesige Photovoltaikanlage installiert, die die Kühlanlagen betreibt. Rund 15.000 Palettenplätze stehen in den sechs Hallen zur Verfügung. Gelagert wird hier alles mögliche. Jedes Unternehmen, das Waren weit unter dem Gefrierpunkt unterbringen muss, kann sich hier einmieten. Pommes, Gemüse, Eislutscher, aber auch Medikamente und Pharmaprodukte finden hier bei knapp -30 Grad Platz.

Die PV-Anlage auf den Kühlhallen ist nur ein kleiner Schritt von der Privatwirtschaft in Richtung Ausbauziele 2030. In zehn Jahren sollen Erneuerbare Energien übers Jahr gesehen den gesamten österreichischen Strombedarf decken. In Wien ist das Potenzial für die größten erneuerbaren Energiequellen, Wasser- und Windenergie, bekanntlich eher gering. Daher ist die Sonnenenergie umso wichtiger. Damit aber auch Wien seinen Beitrag zu den Zielen leisten kann, soll nun die Bauordnung angepasst werden. Laut dem Entwurf, der derzeit in Begutachtung ist, darf in Zukunft kein Wohnhaus und keine Schule mehr ohne Solaranlage errichtet werden.



Die Opposition kritisiert den Entwurf nur vorsichtig. Für ÖVP-KlubobfrauElisabeth Olischar sind noch einige Fragen offen, etwa was mit dem produzierten Überstrom passieren soll. Heftiger wird die Kritik wenn es um die allgemeine Strategie der Stadt geht. Sowohl ÖVP als auch die Neos werfen der Stadtregierung vor, in den vergangenen Jahren diesbezüglich geschlafen zu haben: „Wir haben immer auch kritisiert, dass die Stadt im eigenen Wirkungsbereich sehr wenig gemacht hat“, sagt Olischar.

Ein Blick auf die Zahlen gibt der Kritik der Opposition eine Grundlage. Die Wien Energie installierte im vergangenen Jahr so viel Photovoltaik wie in den zehn Jahren davor zusammen, also dürften die Dächer in diesen Jahren nicht allzu intensiv bebaut worden sein. Insgesamt beträgt die ausgebaute Fläche nun rund 500.000 m². Nach Auskunft der MA 20 Energieplanung sind auf öffentlichen Gebäuden – egal ob diese im Besitz der Stadt oder des Bundes sind – etwa 14.600 m² Photovoltaik installiert.

Grünen-Planungssprecher Peter Kraus sieht im sprunghaften Anstieg der PV-Anlagen weniger ein Verschlafen, als die Folge besserer Rahmenbedingungen: „Zum einen sind die Preise für die Infrastruktur stark gesunken, zum anderen haben sich bundesgesetzliche Regelungen geändert. Wir befinden uns heute in einer Situation, in der Photovoltaik sowohl technisch als auch ökonomisch wettbewerbsfähig ist und daher in den kommenden Jahren stark wachsen muss und wird.“

Außerdem müsse man in Wien über Nutzungskombinationen nachdenken, so Kraus. Eine davon nennt sich Agrar-Photovoltaik. Dabei werden auf landwirtschaftlichen Flächen vertikale, doppelseitige Panele aufgestellt. Sie nehmen wenig Platz weg und die Fläche kann so noch anders genutzt werden. Die Wien Energie testet das gerade in einem Pilotprojekt und hat auf einem Erdapfelacker in Guntramsdorf 60 solcher Panele aufgestellt. Ob der Schatten der Anlagen gar gut für den Gemüseertrag ist, analysiert paralell dazu die BOKU. Vielleicht wächst das Wiener Gemüse ja bald im Schatten einer Solaranlage, bevor es in der Brigittenau unter einer gelagert wird.