Nach dem Anschlag von Hanau wird zum Schutz der Bevölkerung in ganz Deutschland die Polizeipräsenz erhöht. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte am Freitag in Berlin an, dass "sensible Einrichtungen" wie insbesondere Moscheen verstärkt überwacht würden.

Zudem solle die Präsenz an Bahnhöfen, Flughäfen und im grenznahen Raum erhöht werden. Seehofer verwies insbesondere auf die Gefahr von Nachahmungstaten und sprach von einer "sehr hohen" Gefährdungslage durch den Rechtsextremismus.

"Die Tat in Hanau ist eindeutig ein rassistisch motivierter Terroranschlag", sagte Seehofer. Es sei der "dritte rechtsterroristische Anschlag in wenigen Monaten. "Die Gefährdungslage durch Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus ist in Deutschland sehr hoch", sagte Seehofer weiter.

AfD im Kreuzfeuer der Kritik

Der mutmaßlich rassistisch motivierte Anschlag von Hanau hat in Deutschland eine Debatte über politische Konsequenzen hervorgerufen. So forderte die SPD am Freitag eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Auch eine mögliche Verschärfung des Waffenrechts wird diskutiert. Kritik kam aber nicht nur von innen, auch die Türkei und Pakistan äußerten sich besorgt über "zunehmenden Rassismus".

"Es ist doch völlig klar, dass die AfD eine Partei ist, die beobachtet werden muss vom Verfassungsschutz," sagte Generalsekretär der deutschen Sozialdemokraten (SPD), Lars Klingbeil, am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Die Partei habe das gesellschaftliche Klima in den letzten Monaten und Jahren vergiftet. Er sei dafür, dass das sehr schnell in den Sicherheitsorganen entschieden werde und dass es dazu komme.

Nach den Mordtaten von Hanau warnte auch die deutsche Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) vor der versteckten Radikalisierung von Tätern im Netz. "Sie sind tickende Zeitbomben, denen wir mit allen Mitteln begegnen müssen, die uns der Rechtsstaat bietet", sagte Lambrecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitagsausgaben).

Die Morde in Hanau hätten gezeigt, welche große Gefahr von unorganisierten Einzeltätern ausgehe, die sich im Netz radikalisierten, so Lambrecht. Die Morde in Hanau zeigten auch, zu welchen Gewalttaten Rassismus und Hass führen können. "Wir müssen diese Spirale aus Hass und Hetze stoppen und ihr so früh wie möglich den Nährboden entziehen", forderte Lambrecht. Rechtsextremisten müssten konsequent entwaffnet werden.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, sagte: "Die AfD bewegt sich als Gesamtpartei immer schneller in Richtung einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz." Wenn der thüringische Landeschef Björn Höcke offen zu einem Umsturz aufrufe, könne dies die wehrhafte Demokratie nicht kaltlassen.

"Der politische Arm des Hasses"

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte im Deutschlandfunk zur AfD: "Das ist der politische Arm des Hasses". Nach dem Hanauer Anschlag hatten zahlreiche Politiker der Partei eine Mitschuld gegeben.

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hatte das zurückgewiesen und gesagt, er halte es für schäbig, in der Phase so etwas zu instrumentalisieren. Es handle sich um einen offensichtlich völlig geistig verwirrten Täter.

Eine Organisation kann zum Prüffall werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln aber grundsätzlich nicht erlaubt. Wird sie dagegen zum Verdachtsfall erklärt, so ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, wie eine Observation, möglich, wenngleich auch nur sehr eingeschränkt.

Nach Angaben des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), wird zur Zeit an einer Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes gearbeitet. Es gehe dabei um eine Verstärkung der Einzelpersonenbeobachtung, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk.

Debatte über Waffenrecht

Eine weitere Verschärfung des Waffenrechts sieht Middelberg skeptisch. Er glaube, das werde am Ende nicht die Lösung des Problems sein, sagte er und verwies darauf, dass das Waffenrecht gerade erst verschärft worden sei. Bei jedem, der eine Waffe besitze oder eine neu erwerben wolle, gebe es jetzt eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz, um festzustellen, ob es über ihn Erkenntnisse gebe. "Das schließt einen großen Teil derer, die irgendwie problematisch werden könnten, aus."

Bei dem mutmaßlichen Täter von Hanau hätte das aber wahrscheinlich nicht zum Ergebnis geführt, wenn es keine Erkenntnisse über ihn gebe und er vorher nicht auffällig geworden sei.

Der 43-Jährige hatte nach Auskunft der zuständigen Kreisbehörde im Jahr 2013 eine waffenrechtliche Besitzerlaubnis bekommen. In der Waffenbesitzkarte des Sportschützen seien zuletzt zwei Waffen eingetragen gewesen. Der Mann soll am Mittwochabend in Hanau aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen, seine Mutter und sich selbst getötet haben.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) und die Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) wollen sich an diesem Freitag in Berlin bei einer Pressekonferenz zu möglichen Konsequenzen nach dem Anschlag äußern.

"Zu wenig Einsatz gegen Fremdenhass"

Kritik kam auch von außerhalb Deutschlands. So warf die türkische Regierung Berlin vor, zu wenig Härte im Kampf gegen den Fremdenhass und Islamophobie zu zeigen. "Mangelnde Sensibilität im Kampf gegen den wachsenden Fremdenhass in Europa führt jeden Tag zu neuen Anschlägen", zitierte die Tageszeitung "Die Presse" das türkische Außenministerium am Freitag.

Mustafa Yeneroglu, ein in Köln aufgewachsener türkischer Parlamentsabgeordneter, forderte indessen "konkretere Taten" seitens der deutschen Politik und prangerte den institutionellen Rassismus innerhalb der Behörden an. Dieser sei "nicht im Geringsten angegangen worden", sagte Yeneroglu laut dem Bericht.

Die pakistanische Regierung zeigte sich am Freitag ebenfalls besorgt über eine Welle von Hass gegen Ausländer und Muslime. Eine "steigende Flut von Islamfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus" ziehe über weite Teile der Welt hinweg.