"Derzeit versuchen wir mit einem Kassasturz absolute Transparenz zu schaffen", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober im Ö1-"Morgenjournal". An dem Runden Tisch sollen sowohl Vertreter des Finanzministeriums als auch der ÖGK und des Dachverbands teilnehmen, kündigte der Minister an. Er möchte den Prognosen auf den Grund gehen, nachdem von Ökonomen Kritik am Zustandekommen der Zahlen gekommen ist. Die Experten gehen von einem kumulierten Defizit von 1,7 Mrd. Euro bis 2024 aus.

An dem Treffen am Mittwochabend sollen sowohl Vertreter des Finanzministeriums als auch der ÖGK und des Dachverbands teilnehmen, kündigte der Minister an. Er möchte den Prognosen auf den Grund gehen, nachdem von Ökonomen Kritik am Zustandekommen der Zahlen gekommen ist. Dafür werde es neben dem ersten Treffen am Mittwoch wohl weitere Gespräche brauchen, hieß es aus seinem Büro. Das Defizit der ÖGK soll bis ins Jahr 2024 etwa 1,7 Milliarden Euro betragen.

Wegfall von AUVA-Zahlung

Von den 1,7 Milliarden Euro, die laut Vorausschau die ÖGK bis 2024 an Verlusten machen wird, entfallen nach Berechnungen der Arbeitnehmervertreter 744 Millionen auf gesetzliche Beschlüsse der türkis-blauen Regierung. Den größten Posten macht mit knapp 500 Mio. Euro dabei der Pauschbetrag aus, den die AUVA der ÖGK für vorab bezahlte Arbeitsunfälle leistet. Wegen der Beitragssenkung der AUVA wird dieser ab 2023 gestrichen.

Mehr Ausgaben für Privatspitäler

Die sogenannten GSBG-Mittel, der Steuerzuschuss des Bundes an die Krankenversicherung, wurde heuer um 30 Millionen gekürzt - das summiert sich auf 174 Millionen. Die niedrigere Dotierung für die Gesundheitsförderung macht 3,7 Millionen aus. Die höheren Zahlungen für die Privatkrankenanstaltenfonds PRIKRAF, insbesondere wegen der Aufnahme der Privatklinik Währing, summieren sich auf 65 Millionen und ein höherer Pflegekostenzuschuss für nicht im PRIKRAF befindliche Privatspitäler auf 2,3 Millionen. Dazu kommen noch Belastungen für die AUVA durch die Senkung des Unfallversicherungsbeitrages von mehr als 600 Millionen Euro.

Gefahr von Selbstbehalten?

Die Co-Vorsitzende im Dachverband, die Leitende ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl, und der Arbeitnehmerobmann in der ÖGK, Andreas Huss, verlangten am Dienstag jedenfalls eine Änderung des Paragrafen 31 im ASVG. Darin ist festgelegt, dass der Dachverband jährlich eine Verordnung zu erlassen hat, ob ein Kostenbeitrag beim Arztbesuch zu entrichten ist. Angesichts der prognostizierten Defizite der ÖGK hält Reischl die Gefahr, dass nun doch Selbstbehalte eingeführt werden, für "sehr hoch", auch wenn der Sozialminister das genehmigen müsste und das laut Regierungsprogramm nicht vorgesehen ist.

Um die Defizite in den Griff zu bekommen und gleiche Leistungen für alle Versicherten zu ermöglichen, fordern die Arbeitnehmervertreter einen Risiko-Strukturausgleich auch mit den Trägern für Beamte und Selbstständige. Da dies aber relativ kompliziert und nur mit wissenschaftlicher Unterstützung möglich sei und deshalb länger dauert, schlägt Reischl eine schrittweise Anhebung der sogenannten Hebesätze vor.

Zankapfel Strafgefangene

Dabei handelt es sich um den fiktiven Dienstgeberbeitrag des Bundes für krankenversicherte Pensionisten. Für ASVG-Versicherte schießt der Bund für jeden Euro Pensionsbeitrag 0,78 Euro zu, für Bauern hingegen 2,87 Euro. Würde man den Hebesatz für ASVG-Versicherte auf dieses Niveau anheben, würde das dem Bund 3,5 Milliarden Euro kosten. Reischl wünscht sich diese Anhebung allerdings schrittweise und nur so lange, bis der Strukturausgleich steht.

Die Forderung nach einem Strukturausgleich wird neben demografischen Argumenten vor allem damit begründet, dass Asylwerber, Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher nur bei der ÖGK versichert sind. Dafür gebe es zwar Geld vom Bund, das sei aber nicht kostendecken, argumentieren Reischl und Huss. Außerdem befürchten sie, dass die Versorgung von Strafgefangenen zur ÖGK wandert, wie das derzeit diskutiert werde.

Das Sozialministerium hat am Dienstagnachmittag betont, dass eine Lösung für die Finanzierung der medizinischen Behandlung von Strafgefangenen in Arbeit sei. Die von Arbeitnehmervertretern genannte Summe von einer Milliarde Euro jährlich wurde korrigiert. Nach einer Anfragebeantwortung hat das Justizministerium 2018 für 19.951 Insassen in Justizanstalten rund 94,6 Mio. Euro ausgegeben.

"Massive Verunsicherung"

ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer sprach angesichts der prognostizierten Verluste von einer "massiven Verunsicherung" und rief alle Verantwortungsträger auf, "keine Panik zu verbreiten". "Ja, es ist ein schwerer Rucksack, der uns umgehängt wurde, aber wir sind angetreten, um das zu bewältigen und die ÖGK finanziell zu stabilisieren", sagte Wurzer gegenüber der APA.

Die genannten Zahlen von insgesamt 1,7 Milliarden bis 2024 seien eine Prognoserechnung, die auf den Zahlen der neun früheren Gebietskrankenkassen beruhe. "Sie zeigt, was passiert, wenn keine Maßnahmen getroffen werden. Ob und in welcher Form diese Prognosen eintreffen werden, hängt davon ab, welche Instrumente man dem Management zur Steuerung in die Hand gibt, um die Zielsetzungen der Fusion umsetzen zu können", stellte Wurzer in einer schriftlichen Stellungnahme fest.

Keine Schulden, sondern Rücklagen

Der Arbeitnehmerobmann in der ÖGK, Andreas Huss, widersprach unterdessen ÖGK-Obmann Bernhard Wurzer, dass die ÖGK einen "Rucksack" übernommen habe. Die ÖGK habe von den Gebietskrankenkassen keine Schulden, sondern Rücklagen von 1,47 Milliarden Euro übernommen, betonte Huss.