Auf halber Strecke zwischen Stephansdom und Stadterweiterungsgebiet begann der Aufstieg der Wiener FPÖ, und hier wurde sie auseinander gerissen. In der Landstraße, dem dritten Wiener Gemeindebezirk, begann Heinz-Christian Strache seine politische Laufbahn. Hier verbrachte er seine Kindheit, mit 21 Jahren wurde er jüngster Bezirksrat der Stadt, später Bezirksparteiobmann. Im dritten Bezirk stehen Botschaften, das Hundertwasserhaus, das Schloss Belvedere: „Wir sind wahrlich kein Arbeiterbezirk“, sagt Dietrich Kops, „trotzdem erreichte die FPÖ bei der letzten Wien-Wahl hier den zweiten Platz.“ Das, sagt Kops, liege nur an der Politik von Heinz-Christian Strache.

Kops war bis gestern Chef der Bezirks-FPÖ und blauer Gemeinderatsabgeordneter. Mit seinen Klubkollegen Karl Baron und Klaus Handler verließ er die FPÖ und gründete die „Allianz für Österreich“. Der neue Klub ebnet den Weg, dass Heinz-Christian Strache bei der nächsten Wien-Wahl antreten kann. Gegen die FPÖ, die Partei, die er in Wien groß machte.

2004 wurde er zum Landesparteiobmann gewählt, ein Jahr später wurde Strache Bundesparteiobmann. Meinungsforscher sahen die FPÖ damals bei höchstens acht Prozent. In Wien erhielt die Strache-Partei jedoch 14,8 Prozent der Stimmen. Fünf Jahre später erreichte die FPÖ in Wien mehr als 25, 2015 mehr als 30 Prozent. Sein Lebenstraum sei es, Wiener Bürgermeister zu werden, betonte Strache regelmäßig, bevor er Vizekanzler wurde. Bis das Ibiza-Video und die Spesenaffäre seine politische Karriere – zumindest vorübergehend – beendeten.

Von allen Landesgruppen waren die Wiener Freiheitlichen am zögerlichsten dabei, sich von Strache zu distanzieren. Sein Nachfolger, Dominik Nepp, traute sich bis zuletzt nicht, Strache aus der Partei auszuschließen, was gewichtige Blaue aus den Bundesländern forderten. Er übertrug die Entscheidung lieber einem Schiedsgericht.

Er wolle sich rechtlich absichern, erklärte Nepp seine Zögerlichkeit. Doch einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen, fiel ihm wohl auch deshalb schwer, weil die blaue Basis in Wien tief gespalten ist. Viele schreiben die freiheitlichen Erfolge der Vergangenheit ausschließlich Strache zu, etliche verdanken ihm unmittelbar ihre Karriere. Nepp selbst ist ein enger Vertrauter von Johann Gudenus, der wiederum bis zu seinem Totalrückzug nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos Straches wichtigster Wegbegleiter war.

Nach außen kommunizieren die wichtigsten FPÖ-Funktionäre die Parteispaltung gestern konsequent. „Verräter liebt niemand“, kommentierte etwa Maximilian Krauss, nicht-amtsführender Stadtrat der FPÖ auf Facebook den Abgang. Dabei ist der 26-Jährige einer der prominentesten Schützlinge Straches. Er lernte Strache mit 13 Jahren kennen, mit 19 machte ihn Strache zum geschäftsführenden Landesobmann, mit 21 nominierte er ihn zum stellvertretenden Stadtschulratspräsidenten. Den Posten bekam er zwar nicht, aber Strache wusste Krauss stets gut zu versorgen.

In den letzten Jahren erweiterte sich das Führungspersonal der Partei allerdings um Personen, die nicht von Heinz-Christian Strache erfunden wurden. Der Klubobmann der Wiener Freiheitlichen etwa, Anton Mahdalik, stammt aus der Donaustadt und kam über die Bezirksarbeit zur Partei. Er distanzierte sich als einer der ersten von Heinz-Christian Strache. Ursula Stenzel, die nicht-amtsführende Stadträtin war ÖVP-Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt und lief erst zur FPÖ über, als die Volkspartei sie 2015 nicht mehr aufstellte. Sie war Straches Wunschkandidatin für die letzte Bundespräsidentenwahl, danach kam es aber zur Entfremdung zwischen ihr und Strache.

Wie tief der Graben zwischen den Lagern ist, offenbart ein Kommentar von Leo Kohlbauer, dem Pressereferenten der Partei: „Die drei wahrscheinlich schlechtesten und faulsten Abgeordneten verlassen uns in Richtung Bündnis Zukunft Ibiza“, schrieb der am Donnerstagvormittag auf Twitter. Kurze Zeit später löschte er die Nachricht wieder.

Die FPÖ Landstraße, in der Heinz-Christian Strache groß wurde, gab sich weniger angriffig: „Unser geschäftsführender Bezirk​sobmann Dietrich​ Kops hat uns leider verlassen“, schrieb die Bezirkspartei auf Facebook: „Vielleicht​ bringt ihm die Zukunft die Einsicht, dass er diesen Schritt aus falsch verstandener Loyalität gesetzt hat.“
Wo die Loyalitäten liegen, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Kops selbst rechnet damit, dass noch mehr Mandatare aus seinem Bezirk zur neuen Partei überlaufen. Im Jänner hofft die „Allianz für Österreich“, könnte man schon sieben Abgeordnete im Gemeinderat haben.