Selbst unter Alpbachs Blumentrögen kommt keine Heile-Welt-Laune auf, wenn Friedrich Merz an die Wahlen in Sachsen und Brandenburg denkt. „Aber auch im Westen fliegen Wähler wie Treibsand zur AfD. Bei der letzten Bundestagswahl verlor die Union eine Million, die SPD 500.000 Wähler an die AfD“, rechnet er vor.

Dabei muss den absehbaren Abfluss zur AfD am Sonntagabend nicht Merz erklären, sondern Annegret Kramp-Karrenbauer, der er im Dezember 2018 um die Merkel-Nachfolge an der CDU-Spitze mit 517 zu 481 Stimmen knapp unterlag. Umso deutlicher analysiert er den Rechtsruck. „Man hat es verabsäumt, wertkonservative Wähler anzusprechen. Man kann sie aber von der AfD zurückholen. Die Union muss einmal auch das Thema Nation ansprechen. Wir dürfen die deutsche Nationalflagge nicht der AfD überlassen, während man die Fahnen bei anderen öffentlichen Veranstaltungen verbietet.“ Setze sich die AfD länger fest, würde das eine starke, europäisch ausgerichtete deutsche Regierung erschweren. „Derzeit geht eine Zweierkoalition nur mit CDU/CSU und den Grünen aus.“

Niedrigere Steuern statt CO2-Abgaben

Mit der globalen „tektonische Machtverschiebung, mit dem Ende der Pax Americana, mit der die USA schützend die Hand über Europa gehalten haben“, sei Deutschland jedoch gefordert, EU-Leadership zu zeigen und zugleich auf die kleineren EU-Länder Rücksicht zu nehmen. „Das EU-Parlament wird auch in Zukunft kein normales Parlament sein, solange es keine europaweiten Wahllisten gibt“, so Merz, der aber leidenschaftlich für alle Demokratiemühen einer kompromissfähigen EU plädiert. „Die Frage ist, ob Europa weltpolitikfähig ist oder nicht. Ob es G2 mit USA und China heißen wird, oder G3.“ Europa verliere mit dem Brexit einen Nettozahler und eine Atommacht. Es brauche eine Afrika-Strategie („sonst war der Flüchtlingsstrom erst der Anfang“) und müsse mit Russland ins Reine kommen. Unter den Sanktionen leide der Osten Deutschlands, traumatisch auch unter dem (2038 geplanten) Kohleausstieg. Zum Klimaschutz will Merz die Jungen mit Industriejobs der Zukunft gewinnen. Statt CO2-Abgaben will er niedrige Steuern.

"Kurz wird in Europa wahrgenommen"

Österreich sieht Merz in wichtiger Brückenfunktion („Wien liegt weit östlich“), Sebastian Kurz werde in Europa wahrgenommen, in Deutschland sehe er ihn nicht in der CDU, sondern in der CSU heimisch.

Zur Kanzlerfrage für die Bundestagswahl 2021 hält sich Merz diskret bereit. Es wäre aber sinnvoll, wenn Deutschland schon vor seiner EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 eine neue Regierung hat. „Im CDU-Team bin ich bereit, eine entscheidende Rolle zu spielen.“