Die Polizei in Hongkong ging auch am Sonntag mit Wasserwerfern und Tränengas gegen neue Proteste Zehntausender Menschen vor. Obwohl die Behörden wieder öffentliche Nahverkehrsverbindungen kappten, versammelten sich Demonstranten am Sonntag im strömenden Regen in der Nähe des Container-Hafens.

Die Behörden stoppten den Protestzug zunächst, lösten ihn aber anders als angedroht zunächst nicht auf, wie Fernsehbilder zeigten. Die Menschen protestieren gegen eine zunehmende Einflussnahme Chinas in der früheren britischen Kronkolonie. Schon am Samstag hatte die Polizei Tränengas eingesetzt, um die Versammlung aufzulösen. Zudem wurden 29 Menschen festgenommen.

In Hongkong demonstrieren seit Wochen Hunderttausende Menschen. Sie fürchten eine Beschneidung ihrer Rechte durch China und werfen Regierungschefin Carrie Lam eine zu große Nähe zur Regierung in Peking vor. Die frühere britische Kronkolonie Hongkong ist seit 1997 chinesische Sonderverwaltungszone, deren Einwohner größere persönliche Freiheiten genießen als in der Volksrepublik. Die chinesische Regierung hat den Demonstranten zuletzt immer unverhohlener gedroht. So brachte sie die Demonstranten mit "Terrorismus" in Verbindung und schickte Truppen an die Grenze. Zuletzt wuchs deswegen die Sorge vor einem chinesischen Militäreinsatz.

Carrie Lam will Dialog

Am Samstag teilte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam auf Facebook mit, sie habe sich mit einer "Gruppe von Menschen" getroffen, um zu besprechen, wie man einen Dialog einleiten könne. An dem Treffen nahmen 19 Top-Wirtschaftsführer und Politiker teil, wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" unter Berufung auf mehrere Quellen berichtete.

Mehr als die Hälfte der Anwesenden soll Lam demnach dazu geraten haben, mehr Kompromissbereitschaft gegenüber den Demonstranten zu zeigen. So hätten sie Lam dazu aufgerufen, eine unabhängige Untersuchung über Polizeigewalt bei den Protesten einzuleiten und das Auslieferungsgesetz auch formell zurückziehen. Beides sind Kernforderungen der Protestbewegung.

Aufruf an den Westen

Der Westen sollte die Demokratiebewegung in Hongkong nach Auffassung des Aktivisten Ray Wong stärker unterstützen. Es gehe darum, China deutlich den Willen zum Schutz universeller Werte und Menschenrechte zu zeigen, sagte der als politischer Flüchtling in der deutschen Stadt Göttingen lebende 25-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

"Meiner Meinung nach hat China keine Sorge, Leute in Hongkong, Taiwan und Tibet oder Uiguren zu unterdrücken, weil es keine Konsequenzen dafür (zu spüren) bekommt", erklärte Wong. Der Aktivist beginnt zum Wintersemester ein Studium der Philosophie und Politikwissenschaft in der südniedersächsischen Universitätsstadt.