ÖVP-Obmann und Ex-Kanzler Sebastian Kurz hält es für falsch, dass Hilfsorganisationen wie jene der "Sea Watch"-Kapitänin Carola Rackete im Mittelmeer gerettete Migranten nach Europa bringen. "Sie wecken damit nur falsche Hoffnungen und locken damit womöglich unabsichtlich noch mehr Menschen in Gefahr", sagte Kurz der "Welt am Sonntag".

"Solange die Rettung im Mittelmeer mit dem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist, machen sich immer mehr Menschen auf den Weg", sagte Kurz. Nur wenn Europa sicherstelle, dass jeder, der sich illegal auf den Weg macht, in sein Herkunftsland oder in ein Transitland zurückgebracht wird, werde das Ertrinken im Mittelmeer enden.

Kurz steht für eine restriktive Migrationspolitik, die auf einen Ausbau des Schutzes der EU-Außengrenzen und einen strengeren Umgang mit Immigranten im Inland setzt.

"Alan Kurdi" fährt nach Malta

Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit 65 Geretteten an Bord hat indessen nach stundenlangem Warten vor der italienischen Insel Lampedusa Kurs auf Malta genommen. Das schrieb die Hilfsorganisation Sea-Eye aus Regensburg am Samstagabend auf Twitter. Zuvor hatte das Schiff vergeblich auf die Erlaubnis zum Einlaufen in den Hafen gewartet. Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte das strikt verboten.

"Wir können nicht abwarten, bis an Bord der Notstand ausbricht. Jetzt muss sich zeigen, ob andere europäische Regierungen die harte Haltung Italiens teilen oder den Menschen einen sicheren Hafen anbieten", sagte Sea-Eye-Einsatzleiter Gorden Isler der Deutschen Presse-Agentur am Samstag am Telefon. Ohne Hilfe von außen werde die Lage in zwei bis drei Tagen kritisch an Bord. In Malta werde die "Alan Kurdi" voraussichtlich am Sonntagmittag eintreffen.

"Alex" in Lampedusa eingelaufen

Unterdessen erhielten die Menschen an Bord des italienischen Rettungsschiffes "Alex" Erlaubnis, in Lampedusa an Land zu gehen. Das Schiff mit 41 aus dem Mittelmeer geretteten Migranten war zuvor entgegen des Verbots Salvinis in den Hafen der italienischen Mittelmeerinsel eingelaufen. Damit folgte die "Alex" dem Beispiel des deutschen Rettungsschiffes "Sea-Watch 3", das vor einer Woche trotz Verbots unter dem Kommando der Kapitänin Carola Rackete mit 40 Migranten nach Lampedusa gefahren war.

Die Entscheidung, die Menschen an Land zu lassen, habe die Finanzpolizei zu Ermittlungszwecken getroffen. Sie untersteht dem Wirtschaftsministerium und nicht Salvinis Innenministerium. Die "Alex" sei beschlagnahmt worden und gegen den Kapitän werde wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermittelt.

Der relativ kleine Motorsegler ist nach Angaben der Hilfsorganisation Mediterranea nur für 18 Menschen zugelassen. Es waren aber 60 Menschen an Bord. Die hygienischen Verhältnisse und der Wassermangel waren zuletzt nach Angaben von Mediterranea katastrophal.

Streit zwischen Seehofer und Salvini

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) forderte indes seinen italienischen Kollegen Salvini auf, die Dauerkrise der Rettungsschiffe im Mittelmeer zu beenden. "Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden", schrieb Seehofer am Samstag in einem Brief an Salvini. Der wies das prompt zurück. Eher würde er die Migranten per Bus direkt in die deutsche Botschaft in Rom fahren lassen, sagte er in einem im Internet verbreiteten Video.

Seehofer hatte in einem Schreiben an Salvini rasche europäische Lösungen in gemeinsamer Verantwortung für die aktuellen Seenotrettungsfälle angemahnt. "Ich appelliere daher eindringlich an Sie, dass Sie Ihre Haltung, die italienischen Häfen nicht öffnen zu wollen, überdenken", fügte Seehofer hinzu. Deutschland hatte der EU-Kommission angeboten, Migranten von den Rettungsschiffen aufzunehmen. "Auch im Fall der "Alan Kurdi" und der "Alex" sind wir im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen", sagte Seehofer am Samstag.

Bei Salvini stieß er damit auf taube Ohren. "Die (deutsche, Anm.) Bundesregierung bittet mich, italienische Häfen für die Schiffe zu öffnen? Absolut nicht", erklärte er. "Wir fordern die Merkel-Regierung auf, den Schiffen die deutsche Flagge zu entziehen, die Menschenhändlern und Schmugglern helfen, und ihre Bürger, die die italienischen Gesetze missachten, zurückzuholen", fügte er hinzu.

Salvini war mit dem Versprechen angetreten, die illegale Einwanderung nach Italien zu stoppen. Er konzentriert sich dabei vor allem auf medienwirksame Aktionen gegen private Rettungsschiffe, obwohl die vergleichsweise wenige Migranten nach Italien bringen.