Nein, niemand kann die Welt retten. Die Rede vom "Retten der Welt" ist eine sehr dumme Rede. Die Welt ist so alt und hat schon so viel kommen und auch wieder gehen sehen – sie hat vermutlich noch nicht einmal bemerkt, dass wir auf ihr herumlaufen und uns selbst umbringen, indem wir die Grundlagen zerstören, von denen wir leben.

Wenn es gut geht, können wir uns selbst retten – aber auch das ist mittlerweile mehr als zweifelhaft. Denn die Fakten sind erdrückend. Folgt man den veröffentlichten nüchternen naturwissenschaftlichen Messergebnissen und Beobachtungen, lässt sich leicht bestätigen, was Sir David Attenborough, einer der einflussreichsten Naturfilmer der Gegenwart, so ausdrückt: "Den Garten Eden gibt es nicht mehr. Wir haben ihn zerstört."

Gerade haben die Vereinten Nationen einen großen Bericht zum weltweiten Artensterben vorgelegt: "Die Rate der globalen Veränderungen in der Natur in den vergangenen fünf Jahrzehnten ist beispiellos für die Geschichte des Menschen", so das Fazit der Wissenschaftler. Schlussendlich trage dies dazu bei, dass der Homo sapiens seine eigene Existenz bedrohe: "Die Gesundheit der Ökosysteme, von der wir und alle anderen Spezies abhängen, verschlechtert sich schneller als je zuvor. Wir zerstören damit die Grundlagen unserer Wirtschaft, der Ernährungssicherheit, unseres gesundheitlichen Wohlergehens und unserer Lebensqualität", konstatiert der IPBES-Vorsitzende Robert Watson im Global Assessment Report vom 6. Mai.

Beim Klimawandel sieht es nicht besser aus. Am 3. Mai 2019 erreichte die Messskala im für die Klimadaten maßgeblichen Mauna Loa Observatory den Wert von 415,09 ppm Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre. Dieser Wert ist katastrophal. Es ist der höchste je gemessene CO2-Wert in der Geschichte der Menschheit. Der menschliche Körper kennt eine solche CO2-Konzentration nicht. Wir leben wie auf einem fremden Planeten – wir gehen in unbekanntem Gelände. Solange es die Menschheit gibt, gab es einen solch hohen Wert nicht – und die CO2-Konzentration steigt weiter an. Weil wir immer mehr Kohle, Öl und Gas verbrennen, statt einzuhalten.

Wir sind dabei, uns umzubringen. "Das gleicht einem kollektiven Selbstmord", sagt Professor Hans Joachim Schellnhuber in seinem bemerkenswerten wissenschaftlichen "Testament", in seinem 700 Seiten starken Buch "Selbstverbrennung". Schellnhuber war Gründungsdirektor und langjähriger Chef am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Deutschland und ist einer der weltweit anerkanntesten Klimaforscher.

Das ist keine "Panikmache", wie so oft abwehrend behauptet wird, das sind Messergebnisse. Nüchterne Daten und Messreihen und diese gemessenen Werte haben selbstverständlich Folgen, denn die Natur folgt ihren Gesetzen konsequent. Wir wissen beispielsweise seit 1824, dass es den „Treibhaus-Effekt“ gibt: Je mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre ist, umso stärker heizt sie sich auf. Man kennt diese Zusammenhänge schon lange, hat sie eingehend untersucht und versteht sie mittlerweile sehr genau. Mit modernsten Höchstleistungscomputern kann man mittlerweile sogar Modelle rechnen, die je nach angenommener CO2-Konzentration bereits sehr exakt angeben können, wozu welche CO2-Konzentration führen wird. Solche "Szenarien" sollen der Politik helfen, kluge Entscheidungen zu treffen.

"Kehrt um!"

Je wärmer die Atmosphäre ist, desto mehr Energie enthält sie – die Wetter werden extremer, Hitzewellen und Fluten häufen sich, die Meere steigen – der Mensch gerät in Gefahr. Die größten Städte der Welt sind Küstenstädte, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in solchen Megacitys – wenn der Meeresspiegel weiter so dramatisch schnell steigt, erleben wir in diesem Jahrhundert eine Völkerwanderung "biblischen Ausmaßes", wie der frühere Chef des UN-Umweltprogramms, Professor Klaus Töpfer, einmal formuliert hat. Wir wissen das alles spätestens seit 1972, seit dem Bericht des Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums". Aber: Wir machen weiter, als wäre nichts gewesen. Schlimmer noch, wir machen immer schneller weiter. Das Eis in der Arktis schmilzt heute sechsmal schneller als noch in den Neunzigerjahren.

"Kehrt um!", möchte man rufen. Diesen Ruf, von dem die Heiligen Schriften berichten, möchte man anstimmen. "Kehrt um! Wenn ihr so weitermacht, werdet ihr euch und eure Kinder töten!" Plötzlich klingen für mich diese uralten Worte sehr modern. Nicht zuletzt deshalb sind die Weltreligionen gefordert, sich dem Wahnsinn entgegenzustellen. Der Vatikan hat mit der Enzyklika "Laudato si" Wichtiges beigesteuert. Die Ökumene hat mit dem Konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung schon in den Achtzigern Wesentliches beigetragen. Vielleicht werden die Kirchen das entscheidende Zünglein an der Waage sein, die Parteien sind offensichtlich nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Sie brauchen Unterstützung aus der ganzen Gesellschaft.

Wir haben nur noch etwa 10 Jahre Zeit. So sagte es die beim Welt-Klima-Gipfel in Katowice 2019 versammelte Klimawissenschaft. Wenn wir unter zwei Grad Erhitzung bleiben wollen – und das müssen wir, weil uns sonst die Welt um die Ohren fliegt. In dieser Zeit muss es gelungen sein, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas unumkehrbar gemacht zu haben. Das ist eine gewaltige Aufgabe und damit das noch gelingen kann, werden auch ältere Menschen gebraucht. Die jungen Leute von "FridaysForFuture" schaffen das nicht allein. Deshalb habe ich mit vielen anderen das Netzwerk "Fuer-unsere-Enkel.org" ins Leben gerufen, angelehnt an eine Idee von Nelson Mandela und Kofi Annan, die "The Elders" gegründet haben. Erfahrene Menschen tun sich mit ihren Ressourcen zusammen, um die Jungen beim größten Kampf dieses Jahrhunderts zu unterstützen, dem Kampf gegen den Klimawandel. Unsere Kinder werden nichts mehr ändern können. Wir sind die letzte Generation, die das noch versuchen kann.

Es ist unser Kampf. Aber wir fechten ihn nicht für uns, sondern für unsere Enkel. Ob es gelingt, ist offen. Dietrich Bonhoeffer wusste auch nicht, ob sein Kampf erfolgreich sein würde. Er sagte: "Es mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir unsere Arbeit für eine bessere Welt aus der Hand legen. Vorher aber nicht."