Mit einem nicht rechtskräftigen Schuldspruch wegen übler Nachrede, aber einem Freispruch vom Vorwurf der Kreditschädigung hatte am 9. Oktober der Prozess gegen die frühere Grüne-Abgeordnete Sigrid Maurer am Landesgericht Wien geendet. Sie hatte obszöne Nachrichten an sie auf Facebook und Twitter gepostet und darin den Besitzer eines Biergeschäfts als Verfasser beschuldigt, der sie daraufhin klagte.

Maurer reagierte "erschüttert" und kündigte an, sie werde "nicht klein beigeben" und in die Berufung gehen. Über ihre nächsten Schritte informierte sie heute bei einer Pressekonferenz. Gemeinsam mit der Beratungsstelle ZARA gegen Gewalt im Netz wurde per crowd funding über die Plattform respekt.net ein Unterstützungsfonds ins Leben gerufen, der im Fall Maurer und anderer Betroffener in Präzedenzfällen die Prozesskosten übernimmt. Die Spenden sind steuerlich absetzbar. Halbjährlich wird auf der Webseite von ZARA darüber informiert, wie die Gelder verwendet werden.

Innerhalb weniger Stunden sind bereits mehr als 25.000 Euro für einen "Rechtshilfefonds gegen Hass im Netz" gespendet worden. Mit dem Geld will man "Klagen finanzieren und Präzedenzfälle schaffen", sagte die ehemalige Grünen-Abgeordnete Maurer am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Das Ziel sind zunächst 50.000 Euro, mit denen im "worst case" eine etwaige Geldstrafe, Entschädigung und Verfahrenskosten, die gegen Maurer anfallen, abgedeckt würden. Insgesamt wird ein Ziel von 100.000 Euro angestrebt, damit soll der Ausbau der rechtlichen Beratung bei Hass im Netz und ein Fonds zur Finanzierung weiterer Klagen von Betroffenen unterstützt werden, hieß es.

Spendenangebote annehmen

Nach dem Urteil "haben mir weit über 1.000 Menschen geschrieben, dass sie mich unterstützen wollen", sagte Maurer. "Auch spenden." Nun wolle sie "dieses großzügige Angebot annehmen, aber nicht nur für mich sammeln, sondern auch für andere Betroffene".

Ziel sind 100.000 Euro. Caroline Kerschbaumer von ZARA wies grundsätzlich darauf hin, dass es eine Gesetzesänderung brauche: "Wir fordern einen gesetzlichen Schutz der menschlichen Würde." Zivilrechtliche Klagen kosten viel Geld und seien für Betroffene daher oft keine Option. Diese Lücke gelte es zu schließen, betonte Kerschbaumer.

Ziel von Hasspostings im Netz seien vor allem bestimmte Gruppen: Frauen, Muslime, Flüchtlinge.  Insbesondere bei Frauen gehe es darum, diese zum Schweigen zu bringen. "Das funktioniert ganz gut: Frauen fühlen sich bedroht, durch den Angriff auf die Intimsphäre entsteht Scham, die Frauen wollen nicht darüber reden."

Im Interview mit der Kleinen Zeitung erklärte Maurer, es sei ihr wichtig, dass sich Frauen gegen solche verbale Übergriffe rechtlich rasch und kostenlos wehren könnten. Derzeit könne man nur über Zivilprozesse agieren, die teuer sind und wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Richter Stefan Apostol machte in seiner äußerst ausführlichen Urteilsbegründung klar, dass der Tatbestand der üblen Nachrede "massiv" gegeben war und von Maurer ihre Postings auch zugegeben worden waren.

Nicht strafbar wäre dies nur dann, wenn die Angeklagte den Wahrheitsbeweis erbracht hätte. Apostol machte deutlich, dass er dem klagenden Geschäftsmann so gut wie nichts glauben würde, doch sei es eben nicht gelungen, nachzuweisen, dass dieser die sexuell anzüglichen Texte wirklich geschickt habe.

Eine "rechtspolitische Sauerei"

Medienanwalt Michael Pilz hält das Urteil gegen  Maurer für "rechtspolitisch eine Sauerei". Das Urteil sei "formal wohl nicht zu bekritteln". Aber, so Pilz zur APA: "Die Beweiswürdigung hätte wohl auch anders ausgehen können." "Was Maurer gemacht hat, war erkennbar eine Notwehraktion", sagte Pilz. "Rechtspolitisch muss gesagt werden, hier muss etwas geändert werden."

Die #Metoo-Bewegung habe es in einem Jahr geschafft, viel zu bewegen. "Da können auch Bundeskanzler Sebastian Kurz und Justizminister Josef Moser (beide ÖVP) nicht daran vorbeigehen."

Justizminister Josef Moser sprach sich gegen eine "Anlassgesetzgebung aus, doch Frauenministerin Juliane Bogner-Strauss ist für eine Gesetzesänderung: "Mir ist es wichtig, dass Frauen die rechtliche Möglichkeit haben, sich rasch und unkompliziert bei Hass im Netz zu wehren!" Das Thema wird auch von Staatssekretärin Karoline Edtstadler  im Rahmen der Task Force zur Strafrechtsreform behandelt.

Strafen für Hassposter

Edtstadler erklärte gegenüber "Österreich": "Es darf nicht sein, dass sich eine Frau beschimpfen lassen muss. Wir haben mehrere Ansätze: Das Erste ist, dass es für Betroffene sofort eine Beratung geben muss, etwa eine Hotline, damit man als Opfer nicht in juristische Fallen läuft. Nicht jeder kennt einen Anwalt oder traut sich, sich dorthin zu wenden. Ein niederschwelliger Zugang ist mein Ziel." Auch Strafen für Hass-Poster soll es geben. Edtstadler: "Das schauen wir uns gerade an - über die Grenzen hinaus. Das eine ist die strafrechtliche Variante, eine andere Möglichkeit ist das Verwaltungsstrafrecht. Es ist wichtig, dass die Reglung dann auch tatsächlich eine Wirkung hat."

Sigrid Maurer hat auf humorvolle Weise in den sozialen Medien gezeigt, wie sie nach derzeitiger Rechtslage auf Hasspostings regieren könnte. Sie müsse den Absender aufgrund der journalistischen Sorgfaltspflicht kontaktieren, um so nachzuprüfen, ob der Absender die Nachricht tatsächlich verfasst hat.

Falsche Zeugenaussage

Auf den Besitzer des Craft Beer-Geschäftes, der die Ex-Grüne Sigrid Maurer geklagt hatte, könnte indes  ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Richter Stefan Apostol, der das Verfahren geleitet hat, wird der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis bringen, dass er überzeugt ist, dass der Lokalbesitzer im Zeugenstand unter Wahrheitspflicht gelogen hat.