Notorisches Schulschwänzen soll künftig härter geahndet werden. Bleiben Gespräche über die Schulpflichtverletzungen ohne Folgen, drohen Eltern von Schülern doppelt so hohe Verwaltungsstrafen wie bisher. AHS-Gewerkschaftschef Herbert Weiß und die frühere Bildungsministerin Sonja Hammerschmied (SPÖ) tauschen in diesem "Pro & Contra" ihre Standpunkte aus. 

Für Strafen: Herbert Weiß, Chef der AHS-Gewerkschaft:

Nicht Strafen, sondern bessere Bildungschancen für Kinder und Jugendliche sind das Ziel - das frühe Eingreifen soll deren späteres Scheitern verhindern. Es gilt, jungen Menschen zu vermitteln, sich an Regeln zu halten.

Bei der geplanten Maßnahme gegen Schulpflichtverletzungen handelt es sich aus meiner Sicht um einen längst fälligen Schritt. Die derzeit geltenden Regelungen sind viel zu aufwendig und bürokratisch. Sie führen deshalb in der Praxis meist dazu, dass notorisches Schulschwänzen gar nicht geahndet wird.

LehrerInnen und DirektorInnen haben immer wieder vergeblich versucht, sinnvolle Änderungen zu erreichen. Das wurde von den zuständigen Ministerinnen aber abgelehnt und als Rückschritt oder gar als „Rohrstaberlpädagogik“ abqualifiziert. Dabei geht es aber nicht um Bestrafungen und erst recht nicht um einen Angriff auf die Ärmsten der Bevölkerung, wie von manchen fälschlicherweise kritisiert wird. Es geht in Wahrheit um die Kinder und Jugendlichen und ihre Bildungschancen. Menschen, die nicht von sich aus den Wert schulischer Bildung erkennen, muss dieser verdeutlicht werden. Dafür ist ein praxistaugliches Regelwerk notwendig, das Kindern und Jugendlichen Chancen wahrt.

Dass wiederholte beratende Gespräche ohne eine reale Sanktionsmöglichkeit allein nicht genügen, sollte allen einleuchten. Denn wer glaubt tatsächlich, dass z. B. bei wiederholter Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit die Polizei mit Beratungsgesprächen eine Verhaltensänderung erreichen wird?

Internationale Studien beweisen den starken Zusammenhang zwischen unerlaubtem Fernbleiben vom Unterricht und dem späteren Scheitern. Frühes Eingreifen kann und soll daher negative Folgen für die Zukunft verhindern. Österreich hat eine sehr niedrige Drop-out-Rate im Schulbereich. Statt diese gute Position zu verspielen und weiterhin wegzusehen, wo ein Einschreiten dringend erforderlich ist, wird nun endlich gehandelt.

Den Begriff Schulpflichtverletzung sollte man in Zukunft aus meiner Sicht aber nicht auf Abwesenheit beschränken. Es sollte auch darum gehen, dass SchülerInnen daran gehindert werden können, sich selbst und ihre MitschülerInnen durch Undiszipliniertheiten um einen geregelten Unterricht zu bringen. Auch hier steht aus meiner Sicht nicht die Bestrafung im Vordergrund, sondern das Recht auf Bildung.

Regeln, deren Überschreitung zu keinen Konsequenzen führen, sind nicht nur sinnlos, sondern sogar sinnwidrig. Sie vermitteln jungen Menschen, dass man sich nicht an Regeln halten müsse. Sich bei wiederholten Regelverstößen auf ein Zureden zu reduzieren, zeugt nicht gerade von Kenntnis der menschlichen Natur.

Gegen Strafen: Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ):

Geldstrafen lösen kein Schulproblem. Schwänzt ein Kind die Schule, hat dies meist tieferliegende Gründe. Diese Probleme werden nicht gelöst, indem man Kinder an den Pranger stellt. Auch Lehrer brauchen Unterstützung.

Eines vorweg: Häufiges Schulschwänzen ist kein Massenphänomen, es geht um geschätzte 2500 problematische Fälle im Jahr. Eine relativ kleine Zahl im Vergleich zu den 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern, die wir in ganz Österreich haben. Aber natürlich brauchen wir Instrumente, um solche Fälle zu verhindern und LehrerInnen in schwierigen Situationen zu unterstützen.

Wenn die Regierung nun ankündigt, Eltern von schulschwänzenden Kindern umgehend mit Hunderten Euro zu bestrafen, dann ist das allerdings eine einfallslose Strafpädagogik. Sie geht nicht an die Wurzeln des Problems. Denn wenn ein Kind sehr häufig die Schule schwänzt, hat das in der Regel tieferliegende Gründe: Das kann Schulangst sein, Mobbing in der Schule, Angst vor Versagen, aber auch Schwierigkeiten in der Familie. Diese Probleme werden nicht mit einer Verwaltungsstrafe gelöst.

Massives Schulschwänzen sollte eher ein Warnsignal sein. Oft sind die Eltern in solchen Situationen - oft auch in schwierigen Zeiten der Pubertät - überfordert und hilflos. Die Antwort kann doch nicht sein: Zahlen! Wichtig ist es, die Frage zu stellen: „Warum tust du das? Was sind die Gründe?“ Es geht um eine vertrauensvolle Beziehung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen und um Arbeit mit den Eltern. Und es geht um Maßnahmen, die Hilfestellungen bieten und die allen Beteiligten ermöglichen, sich weiterhin auf Augenhöhe zu begegnen. Schließlich sollen Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen auch noch weitere Monate oder Jahre gut miteinander arbeiten. Betroffene Kinder und ihre Eltern an den Pranger zu stellen und mit hohen Strafen zu bedrohen, ist dabei mit Sicherheit der falsche Weg.

Richtig ist, dass wir die PädagogInnen bei Problemfällen nicht alleinlassen dürfen. Deshalb gibt es ja bereits ein Verfahren bei Schulschwänzen: Es setzt auf intensive Gespräche der LehrerInnen mit den Eltern und Kindern. Erst als allerletzte Maßnahme sind Geldbußen vorgesehen. Denn diese verursachen ja auch mehr Kosten durch zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Schulprobleme lösen sie nicht.

Was es vor allem braucht, ist mehr Unterstützung durch Sozialarbeit und SchulpsychologInnen, die unterstützend wirken. Das wünschen sich auch die Lehrerinnen und Lehrer. Hier befürchte ich allerdings, dass es mit der schwarz-blauen Regierung zu massiven Kürzungen kommt. Aus meiner Sicht ein schwerer Fehler, mit dem man den SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern nichts Gutes tut.