Wenige Wochen vor seinem Abschied hat der Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Nikolaus Brender, scharf mit der parteipolitischen Dominanz im öffentlich-rechtlichen Fernsehen abgerechnet. Im Gespräch mit dem am Montag erscheinenden Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" rügte er erstmals öffentlich das Proporzdenken der Parteien und sprach von Rückgratlosigkeit jener Unionspolitiker, die wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch seine Abwahl betrieben haben. Laut Vorausmeldung vom Samstag sprach Brender von einem internen "Spitzelsystem, das davon lebt, dass Redakteure den Parteien Senderinterna zutragen".
"Inoffizielle Mitarbeiter
Wörtlich bezeichnete sie Brender als "Inoffizielle Mitarbeiter" (IM) der Parteien, "wirklich vergleichbar mit den IM der DDR". Es sei ein fein gesponnenes Netz von Abhängigkeiten entstanden, aus dem sich Karrierechancen, aber auch Verpflichtungen ableiten ließen. Er selbst habe versucht, "solche Spione wenigstens von Posten mit echter Verantwortung fernzuhalten", wird Brender zitiert.
Im November hatte sich die Unionsmehrheit im ZDF-Verwaltungsrat mit dem Bestreben durchgesetzt, Brenders Vertrag nicht zu verlängern. Der im März nach zehn Jahren ausscheidende Chefredakteur wird zitiert, in der Union gebe es "ein dunkles Schattenreich, das sich im Verwaltungsrat eingenistet hat und ihn mittlerweile zu dominieren versucht". Nun sei auch das ZDF beschädigt. Der ganze Vorgang habe der Glaubwürdigkeit der Öffentlich-Rechtlichen einen schweren Schlag versetzt, sagte Brender.
Indirekt begrüßte er die von den Grünen angekündigte Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe gegen den ZDF-Staatsvertrag. Das Bundesverfassungsgericht sei nun "die einzige Institution, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Staatsferne, Form und damit Zukunft sichern kann", sagte Brender. Die Grünen hatten die von Koch erwirkte Nichtverlängerung von Brenders Vertrag als "Anschlag auf den unabhängigen Fernsehjournalismus" bezeichnet.