Den Parteitag vorzuverlegen und an der Spitze Platz zu machen, das wollten die Bezirksobleute der Kärntner SPÖ gestern Abend im Hotel Holiday Inn in Villach ihrem Vorsitzenden Reinhart Rohr näher bringen. Am späten Abend warf er das Handtuch und kündigte seinen baldigen Rücktritt als SPÖ-Obmann an. Nach Ausbruch der Palastrevolte, die der Villacher Bürgermeister Helmut Manzenreiter und die Klagenfurter Vizebürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz anführen, wollte Rohr von seinem freiwilligen Rückzug nichts wissen. Schließlich musste er nach dem Rücktritt von Gaby Schaunig als Notnagel das Ruder übernehmen. Rohr ist sachlich, hat eine klare sozialdemokratische Haltung und ist ein absolut integerer Mensch - eine Zuschreibung, die nicht mehr auf viele Kärntner Spitzenpolitiker zutrifft. Aber Rohr war Spitzenkandidat bei der für die SPÖ so katastrophal ausgegangenen Landtagswahl und es gelingt ihm nicht, die desaströse Koalition vor sich herzutreiben.

Martinz unter Druck

Von den Kärntner Politikern hat in den letzten Jahren nur Schaunig erkannt, dass sie an ihre Grenzen gestoßen ist. Sie hat ihre Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten. Lange Rückzugsgefechte beschädigen die Personen weiter und sind Wasser auf den Mühlen der Konkurrenz. Denn, wer einmal von der eigenen Partei infrage gestellt ist, erholt sich nicht mehr. Das gilt auch für ÖVP-Chef Josef Martinz, egal wie viele Solidaritätsadressen er auch bestellt. Dass er unter dem Druck der Ereignisse und der Bundespartei umschwenken muss, wie beim Jugend-Tausender oder in Bezug auf die Konsensgruppe, befördert sein massives Glaubwürdigkeitsproblem seit dem Hypo-Honorar-Skandal mit seinem privaten Steuerberater Dietrich Birnbacher weiter.

Mit ihrer Herum-Eierei macht sich die ÖVP langsam lächerlich. Klubobmann Stephan Tauschitz will irgendwelche abstrusen Rechtskonstruktionen für den Hypo-Untersuchungsausschuss erfinden. Nationalratsabgeordneter Gabriel Obernosterer fordert, "der U-Ausschuss muss die politische Verantwortung und etwaige Mittäterschaften klären". Dem ÖVPler aus dem Lesachtal dürfte entgangen sein, dass sein Parteifreund Tauschitz im ersten U-Ausschuss schon Gelegenheit dazu hatte, sie nur nicht nutzte.

Die SPÖ ist in einen zermürbenden Führungskampf, die ÖVP mit Selbstverteidigung beschäftigt. Die bisher so dominierende Partei Jörg Haiders wird von seinen Erben zerstört. Wie immer beim Landesparteitag am 16. Jänner das Ringen um eine orange oder blaue Zukunft zwischen Uwe Scheuch und Josef Bucher ausgeht, der Bruch wird bleiben. Die Geschlossenheit unter Haider hat Scheuch mit seiner Anbiederung an FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zerbrochen.

Umfrage

Jeder zweite Kärntner hält angesichts des politischen Ausnahmezustandes Neuwahlen für notwendig. Das besagt eine Umfrage des Klagenfurter Humaninstituts. Bei gleichbleibendem personellen Angebot wären Neuwahlen sinnlos, es würden nur die Nichtwähler dramatisch zunehmen. Sie sind auch nicht realistisch, weil sich Scheuch, Landeshauptmann Gerhard Dörfler und Martinz bis zuletzt an der Macht festklammern werden.

Der frühere SPÖ-Landesrat Herbert Schiller hält den öffentlichen Aufruf zum Widerstand und den Schritt eines gemeinschaftlichen Aufbäumens für notwendig. "Das Maß ist voll. Kärntner, denen dieses Land am Herzen liegt und die wirklich auf ihre Heimat schauen wollen, haben die Pflicht, sich auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit zur Wehr zu setzen", sagt Schiller.

Parteien zerbröseln

Kärnten steuert auf italienische Verhältnisse hin. Damit sind nicht die sizilianischen Methoden gemeint, die mitunter auch schon Einzug gehalten haben. Gemeint ist damit, dass die etablierten Parteien wie vor etlichen Jahren in Italien zerbröseln und neue politische Bewegungen entstehen