Die ägyptische Armee hat nach dem Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak die Verfassung außer Kraft gesetzt und das Parlament aufgelöst. Der Militärrat kündigte am Sonntag im staatlichen Fernsehen zudem die Einrichtung eines Komitees für Verfassungsänderungen an, über die das Volk dann abstimmen solle. Ministerpräsident Ahmed Shafiq werde zunächst im Amt bleiben. Der Militärrat werde sechs Monate lang oder bis zur nächsten Parlaments-und Präsidentenwahl das Land führen, hieß es.

Der ägyptische Oppositionspolitiker Ayman Nour begrüßte die Schritte. Sie sollten auch die Demonstranten zufriedenstellen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist ein Sieg für die Revolution." Am Sonntag waren auch weiterhin Tausende Menschen auf die Straße gegangen.

Forderungen der Demonstranten erfüllt

Mit der Auflösung des Parlaments und den zugesagten Verfassungsänderungen erfüllte die Armee zentrale Forderungen der Demonstranten, die wochenlang gegen Mubarak protestiert hatten. Das von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei (NDP) dominierte Parlament galt für viele als nicht legitimiert, da die Wahlen im vergangenen Jahr von Betrugsvorwürfen überschattet worden war. In den Augen vieler stärkte darüber hinaus die bisherige Verfassung die Macht Mubaraks. Die ebenfalls von der Opposition geforderte Aufhebung des seit fast 30 Jahren geltenden Ausnahmezustands wurde jedoch nicht angesprochen.

Premier Shafiq sagte am Sonntag, die Rolle von Vize-Präsident Omar Suleiman müsse noch bestimmt werden. Dieser war von Mubarak eingesetzt worden. Bei einer Pressekonferenz in Kairo erklärte der Regierungschef zudem die Sicherheit im Land zur wichtigsten Aufgabe. Seine Regierung wolle Normalität herstellen - "von der Tasse Tee bis zur medizinischen Behandlung", so Shafiq. Erst danach wolle sich die Regierung mittel- und langfristigen Zielen zuwenden. Mit der Besetzung vakanter Ministerposten habe er es nicht eilig, machte der Premier deutlich.

"Friedlicher Übergang"

Bereits am Samstag hatte der oberste Militärrat einen "friedlichen Übergang" zur Demokratie zugesagt. Zudem erklärte die Armeespitze, dass die bisherige Regierung in Kairo die Geschäfte bis zur Bildung einer "zivilen Führung" weiterführen solle. Sie versicherte, dass Ägypten allen regionalen und internationalen Verträgen verpflichtet bleibe. Dazu gehört auch das 1979 geschlossene Friedensabkommen mit Israel.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu reagierte erleichtert. Der Friedensvertrag habe "beiden Ländern genützt" und sei "ein Eckpfeiler für Frieden und Stabilität im ganzen Nahen Osten", erklärte er. Auch US-Präsident Barack Obama begrüßte das Festhalten an den internationalen Verpflichtungen.

Lage normalisiert sich

In Kairo normalisierte sich die Lage am Sonntag zusehends. Der für die tagelangen Proteste gegen die ägyptische Führung emblematisch gewordene Tahrir-Platz wurde bis auf einen Teil wieder für den Verkehr freigegeben, nachdem dort bis zum Vorabend Zehntausende Menschen den Abgang Mubaraks gefeiert hatten. Einige hundert Demonstranten harrten noch aus. Sie verlangten unter anderem, dass der Ausnahmezustand aufgehoben und festgenommene Demonstranten wieder freigelassen werden sollten.

Die seit Beginn der Proteste vor bald drei Wochen postierten Panzer waren nach wie vor präsent, die Armee blockierte aber die Zugänge zum Platz nicht. Soldaten setzten gemeinsam mit Zivilisten die Aufräumarbeiten fort. Es kam zu einigen Rangeleien zwischen Soldaten und Demonstranten, die den Platz nicht verlassen wollten.

Die Generalstaatsanwaltschaft verhängte ein Ausreiseverbot gegen den früheren Ministerpräsidenten Ahmed Nazif und Informationsminister Anas el-Fekki, zudem fror sie das Vermögen des Ex-Innenministers Habib el-Adli ein. Fekki trat später zurück. Mubarak selbst hält sich nach Regierungsangaben weiterhin in Ägypten auf. Er war kurz vor seiner Rücktrittserklärung in den Küstenort Sharm-el-Sheikh geflogen. Am Sonntag wurden Bilder Mubaraks in Behördengebäuden abgehängt.